Reitervölker

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Reitervölker ist im klassischen Sinne eine zusammenfassende Bezeichnung für Ethnien (Stämme, Stammesverbände oder Völker) der eurasischen Steppe, deren Lebensweise, Ökonomie und Weltanschauung eng mit der Nutzung des Pferdes verknüpft war. Der von diesen Kulturen bewohnte Steppenraum reichte von der Mandschurei im Osten bis nach Ungarn bzw. in das Burgenland im Westen, weshalb für diese Gruppen auch der Begriff Steppenvölker gebräuchlich ist.

Diese Reitervölker pflegten eine halb- oder vollnomadische Lebensweise mit einem Wechsel der Weidegebiete. Pferde waren zunächst eine ihrer Nahrungsgrundlagen, früheste forensisch-archäologische Beweise des Reitens stammen aus der Botai-Kultur vor etwa 5500 Jahren, vor kurzem wurden die ältesten Hinweise im europäischen Teil des Steppengürtels aus der Jamnaja-Kultur vor ca. 5000 Jahren publiziert. Spätestens seit etwa 4.000 Jahren sind Pferde wichtigstes Fortbewegungsmittel der Reitervölker, wobei relativ früh auch Kamele oder Trampeltiere als Transportmittel genutzt wurden. Eine im Laufe der Zeit entwickelte spezialisierte Lebensweise ermöglichte den Reiternomaden das Überleben auch in ökologisch schwierigen Siedlungsgebieten und spricht gegen eine oft angenommene primitive Lebensform. Die verschiedenen (oft eher kurzlebigen) Steppenreiche umfassten oft auch urbane Zentren, die von den Reiterkriegern erobert oder (seltener) von ihnen selbst gegründet wurden.

Das Verhältnis zwischen Reitervölkern und sesshaften Zivilisationen war ambivalent. Ein Merkmal ist der oft belegte Konflikt zwischen nomadischen, oft heterogen zusammengesetzten Reitervölkern, die nicht über eine dauerhafte staatliche Organisation verfügten, und der angrenzenden sesshaften Bevölkerung, die seit der Antike zunehmend in Staaten organisiert war. Die Nomaden konnten zwar aus ihrer Viehwirtschaft Überschüsse erwirtschaften, nicht selten waren die Erträge jedoch nicht ausreichend zur Versorgung. Hinzu kam eine zu wenig ausgeprägte wirtschaftliche Spezialisierung in vielen Lebensbereichen, die hingegen in sesshaften Gesellschaften stattfand. Aufgrund dieser oft prekären Existenzgrundlage waren Reitervölker auf den Austausch mit sesshaften Gesellschaften in der agrarischen Kulturzone und auf deren landwirtschaftliche sowie handwerkliche Ressourcen angewiesen, wodurch sich eine als „endemischer Konflikt“ bezeichnete Spannungssituation ergab. Dies führte nicht selten zu gewaltsamen Konflikten, wobei militärisch potente Reitervölker eine regelrechte Politik betrieben, ökonomisch relevante Tributleistungen von angrenzenden wohlhabenden Reichen zu erzwingen (so im Fall der Hunnen gegenüber Rom oder im Fernen Osten die Xiongnu und folgende Gruppen gegenüber China), um so ihr Herrschaftsgebilde zu stabilisieren.

Nur sehr selten wird auch bei den berittenen Indianervölkern Nord- und Südamerikas, die sich zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert das von den Europäern eingeführte Pferd zunutze machten, von Reitervölkern gesprochen. Im Gegensatz zu den „Ethnien der Alten Welt“ war bei ihnen jedoch nicht das ganze ökonomische Leben beritten: Vor allem der periodische Wechsel des Wohnorts erfolgte bei den Indianern größtenteils zu Fuß.