Indianer

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Indianer ist eine Sammelbezeichnung für Angehörige verschiedener indigener Völker Amerikas. Ausgenommen werden die Eskimovölker und Aleuten der arktischen Gebiete sowie die Polynesier der amerikanischen Pazifikinseln.

Das Wort geht auf einen Irrtum Christoph Kolumbus’ zurück, der meinte, nach „Indien“ (was damals Ostasien bedeutete) gelangt zu sein. Die durch den Kolonialismus etablierte Fremdbezeichnung wird im Rahmen der Rassismus­debatten seit den späten 2010er-Jahren zum Teil kontrovers diskutiert. Auch die so bezeichneten Menschen bewerten den Ausdruck unterschiedlich: Im spanischen Sprachraum wird „Indio“ zumeist abwertend oder sogar als Schimpfwort aufgefasst. Im angloamerikanischen Raum bezeichnen sich hingegen manche Angehörige indigener Gruppen im Rahmen einer neuen panindianischen Identitätsfindung selbst als „(American) Indians“. Ein bekanntes Beispiel ist das American Indian Movement. Heute sind sowohl in den ehemals spanischen und portugiesischen Kolonien Amerikas wie auch in den Vereinigten Staaten und Kanada andere zusammenfassende Begriffe in Gebrauch, so bspw. Indigenas, Native Americans, Peuples autochtones oder First Nations.

Die Besiedlung Amerikas begann in urgeschichtlicher Zeit hauptsächlich von Asien aus über eine Landbrücke, Beringia, im Bereich der heutigen Beringstraße. In der Folge entwickelten sich unterschiedliche Kulturen und indigene amerikanische Sprachen in Nord- und Südamerika zu großer Vielfalt. Die Vorfahren der Indianer entwickelten zunächst die mitgebrachte Jäger- und Sammlerkultur fort. Sie befuhren bereits kurz nach oder schon während der letzten Kaltzeit den Pazifik entlang der Küste.

Keramik, Ackerbau (wie der vor 4.000 v. Chr. einsetzende Anbau von Kürbissen) und abgestufte Formen der Sesshaftigkeit sowie sehr früher Fernhandel kennzeichneten die Kulturen im Norden Südamerikas, während im Süden Nordamerikas Viehzucht und Bewässerungswirtschaft zu höheren Erträgen und vor 3.000 v. Chr. zu städtischen Kulturen führten, die nach Norden bis an den Mississippi und in den Süden Kanadas reichten. Den herausragenden Züchtungserfolgen der bäuerlichen Indianer Mittel- und Südamerikas sind die Kultivierung u. a. von Avocado, Kartoffel, Tomate, Mais, Ananas, Paprika, Tabak sowie die Alpakawolle und das Meerschweinchen zu verdanken. Daneben existierten weiterhin viele Wildbeuterkulturen in großen Teilen des Doppelkontinentes, die zumeist mobil in kleinen Horden, aber auch größeren segmentären oder Stammesgesellschaften organisiert waren, und die sich auf bestimmten Wegen bewegten, dem jeweiligen Jahreszyklus entsprechend.

Im heutigen Lateinamerika vernichteten im 16. Jahrhundert die spanischen Eroberer (Konquistadoren) innerhalb weniger Jahrzehnte die Großreiche Mittel- und Südamerikas. Besonders zerstörerisch wirkten sich die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten aus, allen voran die Pocken. In einigen Regionen, wie z. B. in der Karibik, fand ein Genozid an der indigenen Bevölkerung statt, die dann durch afrikanische Sklaven ersetzt wurde. In anderen Regionen, wie z. B. in Südamerika oder im Osten Nordamerikas, vermischten sich indianische und europäische Bevölkerung.

Den längstandauernden Widerstand gegen die europäischen Invasoren gelang den Araukanern Südamerikas, die bis in die 1870er Jahre die Kolonisierung verhinderten. Heute sind die Indianer Lateinamerikas nur in einigen Gebieten, wie in Bolivien und im Süden Mexikos, noch in der Mehrheit. In Bolivien war von 2006 bis 2019 Evo Morales erster indigener Staatspräsident und Vorsitzender der sozialistischen Partei. Heute stellt für ihre lokalen Gemeinschaften, die in Südamerika noch stark an ihre natürliche Umgebung gebunden sind und zu geringen Teilen wieder isoliert leben, vor allem die Politik der industriellen und agrarischen Nutzung, der Abholzung des Waldes sowie der Ausbeutung von Bodenschätzen eine Gefahr dar.

In Nordamerika gerieten die Indianer ab 1600 nach und nach in die Minderheit. Dieser Verdrängungsprozess dauerte bis in das 20. Jahrhundert an. Die europäischen Einwanderergesellschaften betrachteten die Indianer als „minderwertig“ und versuchten sie anfangs unkoordiniert, bald jedoch systematisch zu verdrängen: der militärischen Unterwerfung, manchmal Vernichtung, folgte eine gezielte Assimilationspolitik, zunächst durch erzwungene Sesshaftigkeit und Vernichtung ihrer Lebensgrundlage, der Bisons, dann durch Verschleppung der Kinder in Internate und Freigaben zur Adoption, zudem durch Absonderung in Indianerreservaten, Zwangsumsiedlung und Segregation. Die Bevölkerungsmehrheit stellen sie heute nur noch in den fast unbesiedelten Gebieten der kanadischen Nadelwälder und in einigen Gebieten Alaskas. Im US-amerikanischen Kernland ist dies nur noch in den großen Reservaten der nördlichen Great Plains sowie in einigen Gebieten des Südwestens der Fall.

Die Traumatisierungsfolgen sind lange unterschätzt oder ignoriert worden. Seit Ende des 20. Jahrhunderts haben Kirchen und einige Regierungen für Misshandlungen, Genozide und Kulturvernichtung um Entschuldigung gebeten. Kurz nach der Jahrtausendwende kam es zu Versuchen der Wiedergutmachung. Zudem erlangten Indianer Partizipationsmöglichkeiten und Fertigkeiten, um vertragliche und politische Rechte durchzusetzen, auch dann, wenn ihre Vorstellungen mit europäisch-amerikanischen Rechtsgrundsätzen, wie dem individuellen Besitz an Boden, kollidierten.