Reichsacht

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Die Reichsacht (auch Reichsbann, kurz Acht oder Bann (Recht)) war eine besondere Form der Acht, die im Mittelalter vom König beziehungsweise vom Kaiser, in der Frühen Neuzeit vom König oder vom Kaiser unter Mitwirkung der Reichsgerichte und der Kurfürsten verhängt werden konnte. Die Ächtung (Fried- und Rechtloserklärung) - vor allem bei Ladungs- oder Urteilsungehorsamkeit - erstreckte sich auf das ganze Gebiet des Heiligen Römischen Reiches.

Vor der Völkerwanderung bis zum Mittelalter (500–1500)

Vor und während des Mittelalters waren die Rechtspflege und die staatliche hoheitliche Verwaltung noch nicht hinreichend aufgebaut, so dass Gerichtsurteile oftmals nicht vollstreckt werden konnten, und die Täter die Möglichkeit hatten, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Die Ächtung rief die Rechtshilfe der ganzen Rechtsgemeinschaft an: Der Täter wurde rechtlos gestellt, und jeder aus der Rechtsgesellschaft, der dies vermochte, konnte ihn dem Gericht zuführen oder ihn töten.

Schon in den ersten Stammesgesellschaften der Germanen vor der Völkerwanderung wurden Verbrecher – nach deren Flucht – bei Delikten gegen Religion, Kult und im Heer, z. B. Verrat und Desertion, geächtet und somit außerhalb der Gesellschaft gestellt. In der Regel drohte ansonsten das Todesurteil.

Auf Beschluss des Things, in späterer Zeit nach Gerichtsspruchs des Königs bzw. des Hofgerichts, verfielen sie der Acht und waren vogelfrei. Sie verloren ihre Rechtsfähigkeit, und jedermann konnte – und sollte – sie ohne Strafe töten. Der Leichnam des Geächteten blieb unbegraben. Ihr Vermögen verfiel, jedermann konnte es an sich bringen. Die später im Mittelalter vergebenen Lehnsgüter aber fielen an den König, der die Acht ausgesprochen hatte, oder an den Lehnsherrn.

Aus der Acht konnte sich nur lösen, wer sich dem Gericht und der Strafe stellte. Tat er das nicht, verfiel er im Mittelalter nach einer gewissen Zeit (Jahr und Tag) der Aberacht (auch damnatio, proscriptio superior, Überacht, Oberacht). Sie führte zur vollen Rechtlosigkeit des Angeklagten und war anfangs nicht ablösbar (später wurde auch sie ablösbar).

Vor der Lösung aus der Acht mussten die Gläubiger befriedigt und eine Lösungsgebühr (der „Achtschatz“) bezahlt werden. Durch die Lösung aus der Acht erhielt der einstmals Geächtete seine volle bürgerliche Stellung und auch sein Vermögen wie vor der Acht wieder. Dritte, die während der Achtzeit das Vermögen des Geächteten innehatten, mussten es ihm wieder herausgeben, sie durften aber den Gewinn behalten, den sie während der Zeit der Acht daraus gezogen hatten.

Seit 1220 konnte die Reichsacht nicht nur vom römisch-deutschen König bzw. vom Kaiser ausgesprochen werden, sie folgte fortan aufgrund des Artikels 7 der Confoederatio cum principibus ecclesiasticis dem Kirchenbann nach nur sechs Wochen quasi automatisch, ohne gesonderte Anklage, ohne Prozess und ohne reichsrechtliche Verurteilung. Später verhängten sie Reichsgerichte, etwa Femgerichte oder das Reichskammergericht unter Mitwirkung des Königs bzw. Kaisers. Die Reichsacht erstreckte sich seit dem Mainzer Landfrieden von 1235 (Artikel 25 und 26) automatisch auch auf Personen und Städte, die Geächteten Schutz und Hilfe boten. Kaiser Friedrich II. sah im Mainzer Landfrieden erstmals die Anlage eines Achtbuchs für den königlichen Hof vor.

Da seit 1220 Reichsacht und Kirchenbann Hand in Hand gingen, stammt daher die Formel In Acht und Bann.<ref>Genauer hierzu: Eduard Eichmann: Acht und Bann im Reichsrecht des Mittelalters. Paderborn 1909.</ref>

Quellen

  • Friedrich Battenberg: Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der höchsten königlichen Gerichtsbarkeit im Alten Reich, besonders im 14. und 15. Jahrhundert (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich. Band 18). Böhlau, Köln u. a. 1986, ISBN 3-412-00686-6.