Benito Mussolini

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Benito Amilcare Andrea Mussolini (geb. 29.07.1883 in Dovia di Predappio, Provinz Forlì, gest. 28.04.1945 in Giulino di Mezzegra, Provinz Como) war ein italienischer Politiker. Er war von 1922 bis 1943 Ministerpräsident des Königreiches Italien. Als Duce del Fascismo („Führer des Faschismus“) und Capo del Governo („Chef der Regierung“) stand er ab 1925 als Diktator an der Spitze des faschistischen Regimes in Italien.

Nach Anfängen bei der sozialistischen Presse stieg Mussolini 1912 zum Chefredakteur von Avanti! auf, dem Zentralorgan des Partito Socialista Italiano (PSI). Als er dort offen nationalistische Positionen vertrat, wurde er im Herbst 1914 entlassen und aus dem PSI ausgeschlossen. Mit finanzieller Unterstützung der italienischen Regierung, einiger Industrieller und ausländischer Diplomaten gründete Mussolini bald darauf die Zeitung Il Popolo d’Italia. 1919 gehörte er zu den Gründern der radikal nationalistischen und antisozialistischen faschistischen Bewegung, als deren Duce (von lat. dux Führer) er sich bis 1921 etablierte.

Im Oktober 1922 berief König Viktor Emanuel III. Mussolini nach dem Marsch auf Rom an die Spitze eines Mitte-Rechts-Koalitionskabinetts. Die faschistische Partei war durch Fusion mit der nationalkonservativen Associazione Nazionalista Italiana zur rechten Sammlungsbewegung geworden. Mit einer Wahlrechtsreform sicherte Mussolini ihr 1923/24 die Mehrheit der Parlamentssitze. In der Matteotti-Krise 1924 knapp dem Sturz entgangen, legte er das Fundament der faschistischen Diktatur mit Ausschaltung des Parlaments, Verbot der antifaschistischen Presse und aller Parteien mit Ausnahme des PNF, Ersetzung der Gewerkschaften durch Korporationen, Aufbau einer politischen Polizei sowie Ernennung statt Wahl der Bürgermeister. Als Regierungschef und oft Inhaber mehrerer Ministerposten gleichzeitig erließ Mussolini Dekrete mit Gesetzeskraft und war formal nur dem Monarchen verantwortlich.

Mussolinis Außenpolitik zielte auf eine Vormachtstellung im Mittelmeerraum und auf dem Balkan, wodurch früh ein Gegensatz zu Frankreich entstand. Bis Mitte der 1930er Jahre suchte er die Verständigung mit Großbritannien. 1929 beendete Mussolini mit den Lateranverträgen den Konflikt des Nationalstaats mit dem Papsttum. Dem deutschen Einflussgewinn in Mittel- und Südosteuropa trat er zunächst entgegen. Nach dem von den Westmächten nicht gebilligten und mit Wirtschaftssanktionen beantworteten italienischen Überfall auf Äthiopien sowie der Intervention Italiens im Spanischen Bürgerkrieg näherte sich Mussolini bis 1937 Deutschland an und schloss im Mai 1939 ein Militärbündnis. Am 10. Juni 1940 trat er – in der Annahme, der Krieg werde wenige Monate dauern – auf deutscher Seite in den Zweiten Weltkrieg ein. Die italienischen Angriffe auf britische Positionen im östlichen Mittelmeer und in Ostafrika scheiterten jedoch ebenso wie der Angriff auf Griechenland im gleichen Jahr, wodurch Italien die Fähigkeit zu selbständiger Kriegführung („Parallelkrieg“) weitgehend verlor.

Ab Herbst 1942 spitzte sich die politische, soziale und militärische Krise des Regimes rasch zu und untergrub Mussolinis persönliche Diktatur. Im Juli 1943 wurde er von oppositionellen Faschisten und Monarchisten gestürzt, die das Bündnis mit Deutschland lösen und einer antifaschistischen Massenbewegung zuvorkommen wollten. Aus der Haft befreit, stand er bis 1945 an der Spitze der Italienischen Sozialrepublik (RSI), des faschistischen Marionettenstaates der deutschen Besatzungsmacht. In den letzten Kriegstagen wurde Mussolini von kommunistischen Partisanen festgenommen und hingerichtet.

Frühe Jahre (1883–1917)[Bearbeiten]

Kindheit, Jugend und politische Anfänge[Bearbeiten]

Benito Mussolini war das erstgeborene Kind der Eheleute Alessandro (1854–1910) und Rosa Mussolini (geb. Maltoni, 1858–1905). Die Familie lebte im Schulhaus von Dovia, einem dörflichen Vorort von Predappio. Mussolinis Mutter, die Tochter eines kleinen Grundbesitzers, war hier seit 1877 als Grundschullehrerin tätig. Sie hatte den Handwerker Alessandro Mussolini im Januar 1882 gegen den Widerstand ihrer Eltern geheiratet. Er verdiente seinen Lebensunterhalt für einige Jahre als Schmied, besaß nur geringe formale Schulbildung und wurde im Zuge seiner erfolglosen Arbeitssuche zum Alkoholiker. Im Gegensatz zu seiner katholischen, auch politisch konservativen Frau war Alessandro Mussolini aktiver Sozialist und genoss als Mitglied des Stadtrates und stellvertretender Bürgermeister eine gewisse Prominenz. Als einzige „Intellektuelle“ des Ortes besaß die Familie einen beachtlichen Einfluss, auch wenn sie kaum mehr begütert war als die Bauern und Landarbeiter in ihrer unmittelbaren Umgebung. Alessandro Mussolini hatte Werke von Karl Marx gelesen und verehrte in seinem politischen Denken italienische Nationalisten wie Mazzini und Garibaldi, unter Einbezug von Sozialreformern und Anarchisten wie Carlo Cafiero und Bakunin. Die Vornamen seines ältesten Sohnes wählte er mit Blick auf Benito Juárez, Amilcare Cipriani und Andrea Costa. Alessandro Mussolini zog sich bereits vor dem Tod seiner Frau aus der Politik zurück, pachtete etwas Land und betrieb in den letzten Jahren seines Lebens eine Gastwirtschaft in Forlì.

Benito Mussolini verließ im Alter von neun Jahren Dovia und wechselte, wohl arrangiert von seiner Mutter, auf eine Internatsschule der Salesianer in Faenza, die vor allem von Jungen aus Familien des städtischen Bürgertums der Romagna besucht wurde. Hier war Mussolini, der in dieser Umgebung nicht als gleichwertig akzeptiert wurde, immer wieder in handgreifliche Auseinandersetzungen mit Mitschülern verwickelt. Nachdem er bei einem Streit ein Messer gezogen hatte, wurde er nach zwei Jahren der Schule verwiesen. Auf der staatlichen Schule in Forlimpopoli, die er fortan besuchte, entwickelte er sich zum „Musterschüler“. Er beendete sie 1901 mit einem Diplom, das ihn zur Erteilung von Unterricht an Elementarschulen berechtigte. 1900 war er dem Partito Socialista Italiano (PSI) beigetreten und befreundete sich dort mit dem späteren Antifaschisten Olindo Vernocchi.

Nachdem der Versuch, mit Hilfe seines Vaters die Stelle des Gemeindesekretärs von Predappio zu erhalten, gescheitert war, trat Mussolini im Februar 1902 eine Lehrerstelle in Gualtieri an. Sein Vertrag wurde jedoch bereits im Juni gekündigt. Es ist unklar, ob dafür Auseinandersetzungen mit dem örtlichen Klerus, eine laxe Dienstauffassung Mussolinis oder die (verbürgte) Affäre mit einer verheirateten Frau verantwortlich waren.

Einige Wochen später emigrierte Mussolini – wie etwa 50.000 andere Italiener im Jahr 1902, in die Schweiz. Er arbeitete hier gelegentlich (in der Summe einige Wochen) als Bauarbeiter und Ladenhelfer, war wegen der Geldsendungen seiner Eltern aber nicht wie andere, häufig völlig mittellose Migranten auf regelmäßige Lohnarbeit angewiesen. Da er im Folgejahr der Einberufung zum Wehrdienst nicht nachkam, verurteilte ihn ein italienisches Militärgericht wegen Desertion. In der Schweiz trat er der Auslandsorganisation des PSI bei und schrieb schon nach kurzer Zeit regelmäßig für das dortige Parteiblatt L’Avvenire del Lavoratore. Auftritte vor Versammlungen italienischer Arbeitsmigranten zeigten sein Talent als politischer Redner und lenkten die Aufmerksamkeit nicht nur der Schweizer, sondern auch der französischen Polizei auf den „anarchistischen“ Agitator, Mussolini fand bald Zugang zu dem Kreis um Giacinto Menotti Serrati und Angelica Balabanoff, die ihn beide förderten. Von Balabanoff übernahm Mussolini wesentliche Elemente seines frühen politischen Weltbildes. Wie sie verstand er unter Marxismus vor allem „revolutionären“ Aktivismus. Seine fortan häufige Berufung auf Marx diente in erster Linie der innerparteilichen Abgrenzung vom Reformsozialismus der Richtung Filippo Turatis. Mussolinis tatsächliche Beschäftigung mit dem marxistischen Denken blieb hier und später oberflächlich und eklektisch.

In der Schweiz las Mussolini auch syndikalistische Schriften, insbesondere die Georges Sorels. Dazu kam die Lektüre Henri Bergsons, Gustave Le Bons, Max Stirners und Friedrich Nietzsches. 1904 studierte er ein Semester an der Universität Lausanne beim berühmten Soziologen Vilfredo Pareto und bei dessen Assistenten Pasquale Boninsegni. Argumentationen und Begriffe dieser Autoren platzierte Mussolini in seinen journalistischen Beiträgen unvermittelt neben marxistischen Kategorien, ohne deren theoretische Unvereinbarkeit zu erkennen. Trotz eines Entrüstungssturms in der Schweiz über den undemokratischen Gewaltherrscher verlieh die Universität Lausanne zu ihrem 400-jährigen Jubiläum 1937 Mussolini auf Betreiben und aufgrund erfolgter eigenmächtiger Verlautbarungen Boninsegnis den Ehrendoktor.

Politisch vertrat Mussolini zwischen 1904 und 1914 im Kern den Standpunkt des revolutionären Syndikalismus, ohne allerdings persönlich syndikalistischen Organisationen anzugehören. Früh schon zeigte sich in seinen Schriften die „Tendenz, gesellschaftliche Prozesse durch biologische Konzeptionen zu interpretieren (Art, Beseitigung der Schwachen, Auslese, Pflanze Mensch), was die allmähliche Aufgabe des marxistisch eindeutig definierten Begriffs der Klasse zugunsten der ‚Masse‘ vorbereitet.“ Dazu kam ein für einen sozialistischen Autor zumindest ungewöhnlicher, an Sorel geschulter Kult des Irrationalen:

Zitat
"Die sogenannten ‚seriösen‘ Menschen bilden den sozialen Ballast. Die Kultur ist das Werk der sogenannten ‚Wahnsinnigen‘." - Zitiert nach Priester: Faschismus, S. 90.

Gegen Ende des Jahres 1904 kehrte Mussolini nach Italien zurück. Seine Mutter starb kurz darauf. Zuvor schon war er der Einberufung zum Wehrdienst gefolgt, den er bis zum September 1906 in einem Bersaglieri-Regiment ableistete. Anschließend war er erneut als Lehrer tätig, zunächst in Tolmezzo und danach an einer katholischen Schule in Oneglia. Im November 1907 bestand er ein Examen an der Universität Bologna und qualifizierte sich damit als Französischlehrer. In Oneglia begann Mussolini, wieder für die sozialistische Presse zu schreiben. Seine Entlassung im Juli 1908 markierte das endgültige Scheitern als Lehrer; er zog daraufhin wieder zu seinem Vater nach Forlì.

Nach Fürsprache von Serrati und Balabanoff übertrug man Mussolini im Januar 1909 die Stelle des Sekretärs der sozialistischen Partei im österreichischen Trient. Zudem übernahm er die Redaktion des lokalen Parteiblatts. In Trient lernte er den Irredentisten Cesare Battisti kennen und schrieb bald regelmäßig für dessen Zeitung Il Popolo Anfang August 1909 wurde er Chefredakteur dieser Zeitung. Außerdem korrespondierte er mit Giuseppe Prezzolini, dem Herausgeber der Zeitschrift La Voce, von dem er sich offenbar Protektion erhoffte. Mussolini begann in Trient, einen positiven Begriff der „Nation“ zu entwickeln, was in der italienischen sozialistischen Bewegung zu dieser Zeit ausgesprochen unüblich war und ebenso wie seine Verbindung zu Prezzolini darauf hindeutet, dass seine persönlichen Ambitionen schon zu dieser Zeit über den Rahmen der sozialistischen Partei hinausgingen.

Das Motiv des persönlichen Ehrgeizes gerade des jungen Mussolini wird in der Literatur oft hervorgehoben. Inzwischen gilt es als unstrittig, dass Mussolini mindestens so sehr von dem Bedürfnis, „irgendwie und irgendwo“ aufzusteigen, wie von politischer Überzeugung angetrieben wurde. Angelo Tasca, der ihn persönlich kannte, hat die Auffassung vertreten, dass „das letzte Ziel“ für Mussolini „stets nur Mussolini selbst [war]; ein anderes hat er nie gekannt.“ Bevor 1910 sein eigentlicher Aufstieg in der sozialistischen Partei begann, gab sich Mussolini der Hoffnung hin, eines Tages als „Intellektueller“ in Paris anerkannt zu werden. Auf die durch das Examen von 1907 möglich gemachte prestigeträchtige Anrede professore legte er auch dann noch Wert, als er bereits an der Spitze der faschistischen Bewegung stand. Der Historiker Paul O’Brien sieht im jungen Mussolini einen „ambitionierten kleinbürgerlichen Intellektuellen mit einem entschieden individualistischen Gespür für seine persönliche Geltung“, der schon seit 1909 unter dem Einfluss der ebenso antiliberalen wie antisozialistischen kulturellen Avantgarde Italiens gestanden habe.

Ende August 1909 wurde Mussolini im Vorfeld eines Besuches von Kaiser Franz Joseph I. von der österreichischen Polizei unter einem Vorwand verhaftet und am 13. September unter militärischem Schutz nach Rovereto in Italien abgeschoben.