Das Unbewusste

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Als Unbewusstes wird das philosophische und humanwissenschaftliche Konstrukt bezeichnet, dass menschliches Denken, Fühlen und Handeln nicht nur von bewussten Entscheidungen und Vorgängen bestimmt wird, sondern ebenso von Strebungen, Triebimpulsen, Strukturen oder Konflikten, die dem Bewusstsein, zeitweise oder grundsätzlich, verborgen sind und somit nicht von ihm kontrolliert werden können. Dieses um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert vor allem von der Psychoanalyse vertretene Paradigma wurde von Sigmund Freud nach den Paradigmenwechseln durch Kopernikus und Darwin als die dritte der Kränkungen der Menschheit bezeichnet.

Die Bezeichnung Unbewusstes oder das Unbewusste ist aus der Philosophie entlehnt und in der epistemologischen Vorstellung Immanuel Kants verankert, nach der die physische Realität („Außenwelt“) für den Menschen nur indirekt erkennbar sei, nämlich in der Form, in der sie dem Bewusstsein durch die Vermittlung der Sinne erscheint. Diese Vorstellung wurde mit dem Gedanken einer unbewusst bleibenden Psyche auf die Erkenntnismöglichkeiten der Introspektion, im Sinne einer Wahrnehmung der Prozesse der menschlichen Psyche („Innenwelt“), übertragen und mit der Metapher umschrieben, das Bewusste sei lediglich eine Insel, die aus dem Meer des unbewusst bleibenden Seelischen herausrage. Der Terminus wurde 1846 erstmals von dem Mediziner, Maler, Naturphilosophen und Psychologen Carl Gustav Carus in die Philosophie eingeführt.

Für die Psychoanalyse, die Tiefenpsychologie und daran anknüpfende Wissenschaftsrichtungen gilt die Vorstellung, dass es wirksame und dennoch unbemerkt verlaufende psychische Prozesse gibt, als paradigmatische Grundannahme im Bereich des Individuellen wie in Kultur und Gesellschaft. Für die empirisch orientierte Psychologie und speziell den Behaviorismus gilt Unbewusstes demgegenüber epistemologisch als nicht betrachtungsfähig, da es sich dem experimentellen Zugriff entzieht. Sowohl historisch als auch aus der Perspektive der verschiedenen philosophischen, psychologischen, soziologischen und kulturwissenschaftlichen Perspektiven finden sich weitere Differenzierungen in Verständnis und Darstellung des Unbewussten bzw. unbewusster Vorgänge.

Begriffsgeschichte vor der Psychoanalyse[Bearbeiten]

Eine frühe Vorstellung eines unbewussten Teils der menschlichen Seele findet sich in der Spätantike bei Augustinus von Hippo (354–430), der davon ausging, dass es einen Bereich im menschlichen Geist gebe, der dem Bewusstsein verborgen bliebe, aber dennoch stetig präsent sei. Als Abditum mentis („Versteck des Geistes“ oder „das Verborgene des Geistes“) bezeichnete Augustinus jenen unbewussten Bereich des menschlichen Geistes, dessen Inhalt ein apriorisches Wissen sei, welches als Grundlage des Denkens und jeder Erkenntnis diene. Dieses Unbewusste könne durch Denken ins Bewusstsein gehoben werden.

Der Begriff findet sich im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm mit der Angabe verschiedener Schreibweisen wie unbewuszt, unbewist, unbewost, unbewüst. Es werden verschiedene literarische Sprachbedeutungen belegt, wie nicht bewusst, nicht wissend, ahnungslos, unfreiwillig, sinnlos, bewusstlos, ohne tieferes Nachdenken, nicht erinnerlich, unschuldig, harmlos, unwillkürlich, absichtlos, zufällig, automatisch, von selbst. Der Begriff habe, so die Herausgeber, seine Fülle und Reife durch die Denkarbeit zweier Jahrhunderte der Dichtung und Literatursprache empfangen. Erwähnt werden so unterschiedliche Autoren wie Martin Luther, William Shakespeare, Immanuel Kant, Friedrich Schleiermacher, Friedrich Schlegel, Heinrich von Kleist, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Richard Wagner, Eduard von Hartmann, Rudolf Eisler und Hermann von Helmholtz. An die romantische Tradition der Medizin und Naturphilosophie anknüpfend bestimmte Carl Gustav Carus 1846 das menschliche Seelenleben durch ein bewusstseinfähiges und ein bewusstseinunfähiges Unbewusstes. An Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Arthur Schopenhauer anknüpfend unterschied Eduard von Hartmann in seiner Philosophie des Unbewussten (1869) zwischen einem absoluten (kosmologischen) Unbewussten und einem relativen (psychischen) Unbewussten. Im Hinblick auf den kosmischen Prozess ging er von einer Bewusstwerdung des metaphysischen, absoluten Unbewussten aus als einem kosmischen Prozess, während sich das psychische Unbewusste naturgesetzlich im Bewusstsein auswirke.

Wie später in der Psychoanalyse so ist schon bei dem Philosophen und Psychologen Theodor Lipps das Unbewusste das eigentlich real Psychische. Ebenfalls vertritt auch er schon die Vorstellung einer Dynamik unbewusster Prozesse und unterscheidet zwischen verschiedenen Graden der Bewusstseinsfähigkeit des Unbewussten sowie zwischen ihrem Wesen nach völlig unbekannt bleibenden seelischen Erregungszuständen und solche, die als Repräsentanzen ins Bewusstsein treten.

Eduard von Hartmann differenzierte den Begriff in den verschiedenen Bereichen der Leiblichkeit, im Gefühl, in Charakter und Sittlichkeit, im ästhetischen Urteil und in der künstlerischen Produktion, in der Entstehung der Sprache, im Denken, in der Entstehung der sinnlichen Wahrnehmung, in der Mystik, in der Geschichte sowie in der Physiologie des Nervenzentrums.

Johann Gottlieb Fichte, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche und einige weitere Philosophen verbindet die Vorstellung, dass der größere Teil psychischer Aktivitäten unbewusst verlaufe. Zitat Nietzsche: "Denn nochmals gesagt: der Mensch, wie jedes lebende Geschöpf, denkt immerfort, aber weiß es nicht. das bewußt werdende Denken ist nur der kleinste Teil: – denn allein dieses bewußte Denken geschieht in Worten, das heißt in Mitteilungszeichen, womit sich die Herkunft des Bewußtseins selber aufdeckt".

Rudolf Eisler macht darauf aufmerksam, dass sowohl bei den Anhängern als auch den Gegnern der Lehre von den unbewussten psychischen Vorgängen nicht immer klar sei, ob das Unbewusste im Sinne des Nicht-Apperzipierten, Nicht-Reflexionsmäßigen oder das absolut Unbewusste gemeint sei.

In Bezug auf therapeutische Implikationen zeigt die historische und anthropologische Forschung, dass bereits in archaischen Gesellschaften Methoden (teilweise auch zur Behandlung psychischer Störungen) angewendet wurden, in denen Suggestion, also die Beeinflussung vor- oder unbewusster Prozesse, eine entscheidende Rolle spielt. Beispiele dafür sind etwa der Schamanismus, der Exorzismus, „Geistiges Heilen“ und religiöse Riten.

  • Der deutsche Arzt Franz Anton Mesmer, Begründer des Animalischen Magnetismus, ging, wie die Heiler der außereuropäischen Kulturen, von unbewussten heilenden Kräften aus (magnetische Ströme, Fluidum, Rapport), die der Arzt im Patienten wieder anregen könne. Diese Kräfte nannte er – in Analogie zu den zeitgenössischen Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrizität – animalischen Magnetismus.
  • Sein Schüler, der französische Artillerieoffizier Marquis de Puységur, entwickelte Mesmers Behandlungsform weiter zur Verabreichung eines sogenannten „magnetischen Schlafes“ bzw. der „magnetischen Hypnose“.
  • Der französische Neurologe Jean-Martin Charcot untersuchte am Hôpital Salpêtrière in Paris die „traumatischen Lähmungen“ und erkannte mit Hilfe der Hypnose, dass ihnen keine organischen Störungen zugrunde liegen können, weil sie sich durch hypnotische Suggestion beheben ließen.
  • Der französische Philosoph, Arzt und Psychotherapeut Pierre Janet, Begründer der dynamischen Psychiatrie, prägte den Begriff des Unterbewusstseins gegenüber dem des Bewusstseins.