Kritik der praktischen Vernunft

Aus Twilight-Line Medien

Kritik der praktischen Vernunft (KpV) ist der Titel des zweiten Hauptwerks Immanuel Kants; es wird auch als „zweite Kritik“ (nach der Kritik der reinen Vernunft und vor der Kritik der Urteilskraft) bezeichnet und erschien erstmals 1788 in Riga. Die KpV enthält Kants Theorie der Moralbegründung und gilt bis heute als eines der wichtigsten Werke der Praktischen Philosophie überhaupt.

Wie die drei Jahre zuvor erschienene Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (GMS) ist die KpV eine Grundlegungsschrift, die also keine Auseinandersetzung mit der praktischen Anwendung der Grundsätze der Moral zum Gegenstand hat, sondern auf die Frage antwortet, wie das sittliche Handeln durch die praktische Vernunft bestimmt werden kann. In der KpV geht es vor allem darum, das grundlegende Prinzip der Moral, ihre Aufgaben und Grenzen festzusetzen. Dies ist der Kategorische Imperativ (KI), den Kant in der KpV wie folgt formuliert: Zitat

Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. - Kant

Damit lehnt Kant die seinerzeit traditionellen Weisen der Moralbegründung im moralischen Gefühl, im Willen Gottes oder in der Suche nach dem höchsten Gut als Glück ab. Für ihn liegt die einzige Möglichkeit, das oberste Prinzip der Moral zu bestimmen, in der reinen praktischen Vernunft. Die Vernunft ist einerseits auf das Erkenntnisvermögen gerichtet (‚Was kann ich wissen?‘). Das ist Thema der Kritik der reinen Vernunft. Zum anderen ist in ganz anderer Stoßrichtung das menschliche Handeln (‚Was soll ich tun?‘) Inhalt vernünftiger Überlegungen. Dies ist Gegenstand der KpV. Sein und Sollen sind bei Kant zwei nicht voneinander abhängige Aspekte der einen Vernunft. Für die menschliche Praxis ist die Freiheit als Grundlage autonomer Entscheidungen notwendig und evident, während sie in der theoretischen Vernunft nur als möglich erwiesen werden kann. Ein Handeln ohne Freiheit kann nicht gedacht werden. Dabei erkennen wir die Freiheit nur durch das Bewusstsein des Sittengesetzes.

Kant zeigt, dass man das Sittengesetz nicht durch Erfahrung erkennen, sondern nur als ein allgemeines Gesetz der Form nach bestimmen kann. Diese Form, der KI, ist dann auf die subjektiven Handlungsregeln, die Maximen, anzuwenden und das Prüfkriterium ist, ob die jeweilige Maxime dem Grundprinzip der Verallgemeinerbarkeit standhält. Ob eine Maxime moralisch akzeptabel oder sogar geboten ist, kann nach Kant bereits der „gemeine Menschenverstand“ (also jedermann) erkennen. Hierzu bedarf es keiner besonderen Theorie. Der Mensch kann nur moralisch handeln, weil er selbstbestimmt (autonom) ist und weil die Vernunft ein unabweisbares Faktum ist. Maßstab für die Beurteilung einer Maxime sind die Begriffe Gut und Böse als Kategorien der Freiheit, d. h. als sittliche und nicht als empirische Begriffe. Wie nun eine mögliche Handlung sittlich einzustufen ist, dazu bedarf es der praktischen Urteilskraft. Mit deren Hilfe wird das sittliche Wollen als gut oder böse bestimmt. Gründe und Motive (Triebfedern) für moralisches Handeln sieht Kant in einer besonderen Einsicht der praktischen Vernunft, die in der Achtung für das Sittengesetz resultiert.

In der Dialektik der reinen praktischen Vernunft wird die Frage ‚Was darf ich hoffen?‘ zum Gegenstand der Betrachtung. Hier entwickelt Kant seine Gedanken zur Bestimmung des höchsten Guts. Es ist die Frage nach dem Unbedingten im praktischen Sinn. In der KrV hatte Kant gezeigt, dass man die unbedingten Ideen von Freiheit, Gott und Unsterblichkeit der Seele zwar nicht beweisen, wohl aber als regulative Ideen für möglich halten kann. Für die praktische Vernunft sind diese Ideen aus Sicht von Kant denknotwendig und können deshalb als Postulate der reinen praktischen Vernunft als wirklich angesehen werden. Im sehr kurzen zweiten Teil der KpV, der Methodenlehre, entwirft Kant ein knappes Konzept der moralischen Erziehung, mit dem junge Menschen dazu angeregt werden sollen, ihre Urteilskraft mit Blick auf moralische Fragen auszubilden. Kants Auffassungen zur praktischen Moralphilosophie finden sich in der Metaphysik der Sitten sowie in seinen Vorlesungen zur Moralphilosophie.

Quellen[Bearbeiten]

  • Theodor W. Adorno: Probleme der Moralphilosophie. Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-58225-9