Rezeption des römischen Rechts

Aus Twilight-Line Medien

Die Rezeption des römischen Rechts (Übernahme der Rechtsregeln und Arbeitsmethoden des römischen Rechts) bezeichnet einen kulturgeschichtlichen Vorgang, der gemeinhin als wissenschaftliche Durchdringung der kontinentaleuropäischen Gewohnheits- und Partikularrechte durch das römisch-kanonische Recht verstanden wird. Der Einwirkungsprozess des so entstandenen ius commune (Gemeines Recht) auf die iura patriae (Heimatrechte) verlief ab dem Hochmittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (Pandektismus) in Wellen und Phasen mit wechselnder Intensität und nahm entscheidenden Einfluss auf geltendes Recht, so auch final auf das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) von 1896/1900.

Den Weg ins Mittelalter fand das Recht – im Gespann als römisch-kanonisches Recht – über zwei Wege, einerseits über die weltliche Rechtsrezeption, andererseits über den kirchenrechtlichen Weg, denn die Papstkirche in Rom hatte sich im Frühmittelalter am römischen Recht orientiert („Ecclesia vivit lege Romana“). Die Kirchengerichte rezipierten privatrechtliche Materien mit einem weitreichenden eigenen Hoheitsanspruch. Mit zunehmender Rechtssetzung durch Päpste begann das kanonische Recht sich eigenständig zu entwickeln. Zu den Beiträgen der weltlichen Rezeption zählen für die europäische Rechtskultur die Verwissenschaftlichung und die Professionalisierung des Fachs hin zu einer definierten Jurisprudenz (Rechtsgelehrsamkeit) sowie darauf aufbauend die Systematisierung des Rechtsstoffes für die Bedürfnisse der forensischen Praxis.

In der Forschung wird vorwiegend die Auffassung vertreten, dass das römische Recht rezipiert wurde, weil es das Recht des imperium romanum war, das als Leitbild des karolingischen Reichs und seiner Folgestaaten fortwirkte und in der europäischen Kultur fortbestand. Erst in zweiter Linie resultierte der über viele Epochen verlaufende Rückgriff aus der hohen Qualität des Juristenrechts, welches vornehmlich in der Zeit der klassischen Kaiserzeit geschaffen worden war. Aufgrund der umfangreichen Kompilation der schon mit der Zeit des Zwölftafelgesetzes einsetzenden Rechtsmassen verfügte der spätantike Kaiser Justinian über eine Vielzahl von schriftlichen Quellen, die der Nachwelt über viele Epochen zur Ausdeutung und Übernahme in die jeweils aktuelle Rechtspraxis dienten.