Wikingerzeit

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Wikingerzeit ist ein Begriff der Geschichtswissenschaft. Er wird auf Nordeuropa angewendet, soweit es von den Wikingern bevölkert war, und auf die Teile Mittel-, Süd- und Westeuropas, die von deren Angriffen betroffen waren.

Der Begriff „Wikingerzeit“ wurde von dem dänischen Archäologen Jens Jacob Asmussen Worsaae (1821–1885) geprägt. Die Definition ist im Wesentlichen durch die Ereignisgeschichte bestimmt. Beginn und Ende der Wikingerzeit im skandinavischen Raum wird heute unterschiedlich gesehen. Als frühester Anfangszeitpunkt wird vereinzelt der Kriegszug des Dänen Chlochilaicus zwischen 516 und 522 genannt. Im Jahr 742 fand ein Angriff auf das piktische Burghead Fort statt und 787 auf Portland in Dorset in Südengland. Zudem zeigen die Wikingerschiffsgräber von Salme, dass bereits um 750, also 50 Jahre früher, nordgermanische Krieger bei Kriegshandlungen im Baltikum den Tod fanden. Jedoch wird in der Regel erst der Überfall auf Lindisfarne 793 als Beginn der Wikingerzeit gesehen. Das Ende wird traditionell auf 1066 datiert (gleichzeitig Ende des Frühmittelalters in England und Zerstörung von Haithabu), obwohl die räuberischen Einzelaktionen kleinerer Wikingergruppen bereits früher zurückgegangen waren. Die Wikingerzeit ging mit dem Nachlassen der Wikingerzüge dem Ende entgegen. Eine heute gängige Grobdatierung lautet 800–1050.

Die Wikingerzeit war geprägt durch ein großräumiges soziales Netzwerk. Dies umfasste einerseits persönliche, durch rituellen Austausch von Geschenken begründete Verbindungen mit gegenseitigen Verpflichtungen, die Bindung des Einzelnen an die Sippe und die Vorfahren und andererseits die Konfrontation mit dem Christentum. Diese Konfrontation wurde durch allmählichen Wandel von kleineren Herrschaften zu stärkeren Zentralgewalten vorbereitet. Der Fortschritt im Schiffbau und die damit verbundene Mobilität sowohl im Krieg als auch beim Handel führten zu Reichtum und kultureller Blüte.

Bei Kriegszügen sind diejenigen Züge, die von einzelnen Gruppen zur eigenen Bereicherung geführt wurden, zu unterscheiden von denen, die ein politisches Ziel hatten und daher von Herrschern oder deren Konkurrenten geführt wurden. Ihnen ist gemeinsam, dass sich der Krieg entweder durch Plünderungen bzw. Kriegsbeute finanzierte oder von den jeweiligen Herrschern bezahlt wurde (Beispiel Jomswikinger). Diese Kriege hörten keineswegs mit dem Jahr 1066 auf. Magnus Berrføtt führte noch zwischen 1098 und 1103 Kriege gegen die Orkneys, die Isle of Man und Irland, bei denen Plünderungen den Krieg finanzierten und nach Möglichkeit einen Überschuss erbringen sollten. Sweyn Asleifsson, eine Figur der Orkneyinga saga, fiel 1171 bei einem Wikingerzug gegen Dublin. Das letzte Mal soll von Wikingern die Rede gewesen sein, als die Birkebeiner 1209 als Wikinger nach Schottland gezogen sind. Es handelte sich aber nur um Einzelunternehmen, die das gesellschaftliche Lebensgefühl nicht mehr dominierten.

In der skandinavischen Geschichtsschreibung folgt auf die Wikingerzeit das „christliche Mittelalter“. Ihr voraus geht in Schweden die Vendelzeit, in Dänemark die „Germanische Eisenzeit“. Diejenigen Autoren, die neben der kriegerischen Existenz auch den Handel und das Kunsthandwerk dem Wikingerbegriff zuordnen, sehen weniger enge Grenzen und verlegen die Anfänge bereits in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts und das Ende erst auf die Zeit nach 1100. Andere lehnen dies ab: Damit würde das prägende Charakteristikum der zeitgenössischen Wahrnehmung, die sich im Wikingerbegriff bis in die Gegenwart erhalten hat, verschleiert; der Begriff verliere seine Brauchbarkeit. Die Wikingerzeit lief im Wesentlichen mit der karolingischen und ottonischen Zeit Kontinentaleuropas parallel.

Manche Autoren wenden den Begriff Wikingerzeit auch auf die Geschichte der Rus an. Dies hängt damit zusammen, dass viele kulturelle Entwicklungen in der Wikingerzeit schwerpunktmäßig im Ostseeraum stattfanden.

Die Quellenlage[Bearbeiten]

Ein Problem für die Schilderung der Wikingerzeit stellt die Quellenlage dar. Während eine Behandlung der Wikingerzeit den Anspruch erhebt, die Verhältnisse dieser Zeit in ganz Skandinavien zu schildern, sind die Quellen räumlich sehr ungleich verteilt. Die Verhältnisse in Island und Norwegen sind recht gut dokumentiert, während aus Dänemark und Schweden aus dieser Zeit kaum ergiebige Nachrichten vorliegen.

Ein weiteres Problem stellt die moderne Quellenkritik dar, die die Glaubwürdigkeit der Quellen in Frage stellt. Das führt zu einer gewissen Beliebigkeit der Darstellung. Als extremes Beispiel kann Régis Boyer: Die Piraten des Nordens. Leben und Sterben als Wikinger. (2001) gelten. Nachdem er alle Quellengattungen als unglaubwürdig verworfen hat, schreibt er über 350 Seiten über die Wikinger, durchweg ohne Quellenangabe. Besondere Skepsis verdienen Zahlenangaben aus der Zeit, von denen die Verfasser nur mündliche Überlieferungen haben konnten. Das gilt zum Beispiel für die Flottenstärken bei der Schlacht bei Hjørungavåg 986, die vermutlich übertrieben sind. Auch die zeitgenössischen fränkischen Annalen haben die Anzahl der Schiffe wahrscheinlich oft übertrieben. Trotzdem kann die Grundstruktur des Schlachtenverlaufs als plausibel gelten.

Bei den Wikingereinfällen im Frankenreich wird in keiner Quelle die Zahl der beteiligten Krieger genannt. Die archäologische Forschung ist noch nicht abgeschlossen. Es wurden einige Massengräber mit teilweise bis zu 300 Toten gefunden.

Die Menschen[Bearbeiten]

Die bis 1990 gefundenen Gräber zeigen, dass das durchschnittliche Sterbealter der Männer bei 41 Jahren lag, das der Frauen bei 51 Jahren. Die Skelette zeugen von harter körperlicher Arbeit. Es sind – besonders bei Frauen – deutliche Spuren von Arthrose zu finden. Die Frauenskelette zeigen eine durchschnittliche Körpergröße von ungefähr 161 cm, die der Männerskelette von ungefähr 174 cm (die Durchschnitte schwanken von Gegend zu Gegend). Es gab daneben auch bis zu 185 cm große Menschen. Die größeren Menschen stammen, den Grabbeigaben nach zu urteilen, offenbar aus den höheren Gesellschaftsschichten. Nicht berücksichtigt sind dabei die in neuerer Zeit gefundenen Massengräber, die nicht immer zeitlich zugeordnet werden können bzw. deren Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist.

Die Skandinavier bewohnten in England und Irland fast ausschließlich abgeschlossene Territorien bzw. Ortschaften. Einzelgehöfte sind unbekannt. Anders sieht es in Schottland und auf den Inseln aus (Hebriden, Orkneys, Shetlands und der Isle of Man) aus, wo viele Einzelgehöfte festgestellt wurden. In den Wohnstätten bestand der Boden aus gestampftem Lehm, der mit Stroh bestreut war.

Für die Jagd hatte man laut zeitgenössischer Berichte offenbar Spürhunde.