Zweiter Italienisch-Libyscher Krieg

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Zweiter Italienisch-Libyscher Krieg (bzw. Zweiter Libysch-Italienischer Krieg) ist eine zusammenfassende Bezeichnung für die Eroberungskriege des zunächst liberalen, dann faschistischen Königreichs Italien, die es um die von ihm als Kolonien beanspruchten Gebiete im heutigen Libyen führte, Tripolitanien und die Cyrenaika. Der Konflikt dauerte fast zehn Jahre, vom 26.01.1922 bis zum 24.01.1932 und artete ab 1929 in einen Genozid aus.

Die Kampfhandlungen begannen noch unter Italiens liberaler Regierung in Tripolitanien, ab 1923 weitete die Koalitionsregierung Benito Mussolinis die Militäraktionen auf die Cyrenaika aus. Italien hatte die nordafrikanischen Gebiete teilweise schon zwischen 1911 und 1914, infolge des Kriegs gegen das Osmanische Reich besetzt. Im Laufe des Ersten Weltkrieges entglitten sie aber weitgehend seiner Kontrolle. Die Rückeroberung Nord-Tripolitaniens wurde bereits 1924 abgeschlossen, den südlich davon gelegenen Fessan hingegen konnten die italienischen Truppen erst 1930 unterwerfen. Zuletzt, bis 1932, schlugen sie die Widerstandsbewegung von Scheich Omar Mukhtar in der Cyrenaika nieder.

Sowohl unter liberaler als auch unter faschistischer Führung verfolgten die Feldzüge zwei Ziele: einerseits die Eroberung aller beanspruchten Gebiete, andererseits die Umwandlung Libyens in eine Siedlungskolonie für italienische Einwanderer. Dementsprechend betrieb die Kolonialmacht die Enteignung und – nach der Durchsetzung der faschistischen Diktatur 1925/26 – systematische Vertreibung der berberischen und arabischen Bevölkerung aus den fruchtbaren Regionen des Landes. Einige Historiker sehen dies bereits im Kontext der faschistischen Idee, neuen „Lebensraum“ (spazio vitale) zu erobern. Italiens Kriegsführung nahm immer brutalere Züge an und nutzte in beiden umkämpften Gebieten Flächenbombardements, Giftgaseinsätze sowie Massenhinrichtungen als militärische Kampfmittel. Am verheerendsten wirkte sich der Genozid in der Cyrenaika von 1929 bis 1934 aus, bei dem ein Viertel bis ein Drittel der cyrenäischen Gesamtbevölkerung durch Todesmärsche, Deportationen und in den ersten von einem faschistischen Regime errichteten Konzentrationslagern ums Leben kam. Insgesamt fielen dem italienischen Kolonialkrieg etwa 100.000 der rund 800.000 Tripolitanier und Cyrenäer zum Opfer.

In der Forschung gelten der italienische Kolonialkrieg und Völkermord als Beleg gegen den Mythos eines „moderaten“ italienischen Faschismus und Kolonialismus sowie als wichtiger Teil der Vorgeschichte zum 1935 begonnenen Abessinienkrieg. Diskutiert wird auch eine mögliche Modellfunktion dieser Libyenpolitik für die späteren nationalsozialistischen Siedlungspläne in Osteuropa. Die mangelnde Aufarbeitung des Konflikts belastete über Jahrzehnte die diplomatischen Beziehungen zwischen Libyen und Italien. Im Jahr 2008 vereinbarten beide Staaten schließlich ein Freundschaftsabkommen, in dem sich Italien für die Kolonialzeit entschuldigte und zu finanzieller Entschädigung verpflichtete.

Quellen[Bearbeiten]

  • Ali Abdullatif Ahmida: Forgotten Voices. Power and Agency in Colonial and Post-Colonial Libya. Taylor & Francis Group/Routledge, New York 2005