Rittergut

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Ein Rittergut (lat. praedium nobilium sive equestrium) war ein Besitz, mit dem durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht seit dem Mittelalter bestimmte Vorrechte des Eigentümers, insbesondere die Rechte der Grundherrschaft über erbuntertänige und zinspflichtige Bauern (bis zur Bauernbefreiung) sowie die Landtagsfähigkeit verbunden waren. Hinzu kamen oft die Kanzleifähigkeit (als erste Instanz in Rechtsstreitigkeiten) sowie Steuerbefreiungen.

Entstehung und Vorrechte[Bearbeiten]

Das Lehnswesen war bereits im Fränkischen Reich entstanden, um dem Ritterstand die ihm obliegende Verpflichtung zu Ritterdiensten als Panzerreiter wirtschaftlich zu ermöglichen. Damit verbunden waren im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation auch Befreiungen von den sonst auf ländlichem Grundbesitz haftenden Steuern und bäuerlichen Lasten (wie etwa der Einquartierung, Fronen etc.). Die Ritter waren dafür als Vasallen und Ministeriale dem Lehnsherren zum Kriegsdienst zu Pferde und später alternativ zu Geldleistungen („Ritterpferdgeldern“) verpflichtet, die teils noch im Dreißigjährigen Krieg und danach eingetrieben wurden. Weitere Rechte des Lehnsherrn waren vor allem das Öffnungsrecht sowie der Lehnsheimfall beim Aussterben des Mannesstammes der Lehnsnehmerfamilie.

Seit dem 14. Jahrhundert wurden die alten Lehensheere durch Söldnertruppen ersetzt, was zum Ende des Ritterdienstes und damit auch zu einem wirtschaftlichen Niedergang des deutschen Adels führte. Sold und Kriegsbeute flossen nun in andere Taschen, was eine der Ursachen für das Raubritterwesen war. Die Besitzer der Gutsherrschaften lebten nun überwiegend von den Abgaben ihrer Erbuntertänigen oder Hintersassen (Hörige und Grundholde), zum geringeren Teil auch durch Eigenversorgung mit Hilfe von Knechten und Mägden. Die Einkünfte aus Naturalabgaben waren oft relativ bescheiden, denn die Bauern waren meist arm. Ulrich von Hutten schildert in seinem Brief an Willibald Pirckheimer aus dem Jahr 1518 anschaulich die beengten und sorgenvollen Zustände auf der heimatlichen Burg.

Außerdem waren mit den Rittergütern noch weitere Vorrechte verbunden. Die Besitzer einer Grundherrschaft hatten in der Ständeordnung des Mittelalters zumeist die Niedere Gerichtsbarkeit bzw. Patrimonialjurisdiktion inne, in selteneren Fällen auch die Hohe Gerichtsbarkeit. Sie übten damit – bis zur Bauernbefreiung – zugleich rechtsprechende Funktionen aus und stellten außerdem die örtliche Obrigkeit mit lokaler Polizeigewalt dar (vergleichbar einem Bürgermeister), teilweise noch bis ins 20. Jahrhundert. Ferner gehörten zu den Vorrechten der Rittergutsbesitzer die Jagdgerechtigkeit, häufig Fischereirechte, Braugerechtigkeit und andere Bannrechte. Das kirchliche Patronatsrecht ist oft bis heute mit dem Besitz eines Rittergutes verbunden.

Zur Verteidigung ihrer politischen Rechte organisierten sich die Besitzer von Lehens- oder Allodialgütern im Spätmittelalter in manchen Regionen in Verbänden, den sogenannten Ritterschaften. Diese übten politische Mitbestimmungsrechte in den Landtagen aus, wo die Rittergutsbesitzer die Ritterschaft innerhalb der Landstände bildeten. Die Landstandschaft stand ursprünglich allen Adligen der Region als Personalrecht zu, wurde mit der Zeit aber in Form eines Realrechts als Zubehör der Rittergüter selbst angesehen (nobilitas realis). In Preußen und auch in anderen Staaten wurden wegen ihrer Bedeutung für die ständischen und landschaftlichen Wahlen Verzeichnisse der Rittergüter geführt, die sogenannten Rittergutsmatrikel, als Verzeichnisse der jeweiligen Güter sowie ihrer aktuellen Gutsbesitzer. Nur den immatrikulierten Gutsbesitzern stand die Landstandschaft zu.

Während ursprünglich nur Adlige Rittergutsbesitzer sein durften, konnten ab dem 16. Jahrhundert Rittergüter auch von Bürgerlichen erworben werden, meist mit landesfürstlicher Ausnahmegenehmigung, wobei auch die Ritterschaften durch die Immatrikulierung mitwirken mussten. Meist suchten die neuen Rittergutsbesitzer dann beim Landesherrn um Nobilitierung nach und wurden oft auch geadelt. Im 17. Jahrhundert gab es zunehmend auch bürgerliche Rittergutsbesitzer, seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stieg ihre Zahl stark an. Mit dem Erwerb eines Rittergutes gingen auch die mit dem Gut verbundenen Realrechte auf den neuen Eigentümer über.

In den moderneren Verfassungen, so in der preußischen Verfassung von 1850, wurde dieses Recht einer besonderen Vertretung der Rittergutsbesitzer in den Landtagen oft vollständig aufgehoben. In Preußen kam den Rittergütern danach aber noch eine Bedeutung für die Kreis- und Provinzialversammlungen zu. Rittergüter in Preußen bildeten meist eigene kommunalrechtliche Gutsbezirke, die neben der meist gleichnamigen Landgemeinde bis etwa 1929 bestanden. In Mecklenburg bestand die allgemeine Landstandschaft der Rittergutsbesitzer noch bis 1918, in Niedersachsen existiert sie bis heute (siehe unten Gegenwart).

Der wirtschaftliche Betrieb des meist weit ausgedehnten Grundbesitzes eines solchen Gutes erforderte bestimmte Gebäude. Diese bestanden aus einem Herrenhaus, oft auch einem Verwaltergebäude, aus Stallungen verschiedener Art und Größe, Scheunen, Molkereigebäuden, manchmal einer Brennerei oder Brauerei, sowie den nötigen Wohnungen für die Arbeiter. Bei der Anlage der Güter herrschte der Grundsatz, dass Aufbau und Unterhaltung aus den Erträgen des Gutes zu beschaffen waren und die Ertragsgrenzen demnach nicht überschritten werden durften.

Quellen[Bearbeiten]

  • René Schiller: Vom Rittergut zum Grossgrundbesitz. Ökonomische und soziale Transformationsprozesse der ländlichen Eliten in Brandenburg im 19. Jahrhundert (= Elitenwandel in der Moderne. Bd. 3). Akademie-Verlag, Berlin 2003