Untergang des Römischen Reiches: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Twilight-Line Medien
(Die Seite wurde neu angelegt: „Der '''Untergang des Römischen Reiches''' im Westen ist ein viel diskutiertes Thema der Altertumswissenschaft. Es geht um die Gründe für den allmählichen Niedergang des westlichen Reichsteils, der mit der Absetzung des weströmischen Kaisers Romulus Augustulus im Jahr 476 (bzw. mit dem Tod des letzten von Ostrom anerkannten Kaisers Julius Nepos im Jahr 480) endete, wobei höchst unterschied…“)
 
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 2: Zeile 2:


Das Oströmische/Byzantinische Reich überdauerte den Zusammenbruch des weströmischen Kaisertums. Es ging erst 1453 mit der [[Belagerung von Konstantinopel (1453)|Eroberung Konstantinopels]] durch Sultan [[Mehmed II.]], bei welcher der letzte byzantinische Kaiser [[Konstantin XI.]] den Tod fand, zu Ende.
Das Oströmische/Byzantinische Reich überdauerte den Zusammenbruch des weströmischen Kaisertums. Es ging erst 1453 mit der [[Belagerung von Konstantinopel (1453)|Eroberung Konstantinopels]] durch Sultan [[Mehmed II.]], bei welcher der letzte byzantinische Kaiser [[Konstantin XI.]] den Tod fand, zu Ende.
== Überblick ==
Die Positionen, die in der historischen Forschung zum Ende des Römischen Reiches im Westen vertreten wurden und werden, sind sehr vielfältig. Die meisten lassen sich jedoch grob den folgenden vier Ansätzen zuordnen:
* '''Dekadenz''': Diese vor allem in der älteren Forschung sowie in [[populärwissenschaftliche Literatur|populärwissenschaftlichen]] Publikationen weit verbreitete Ansicht geht davon aus, dass das Römische Reich spätestens seit der [[Reichskrise des 3. Jahrhunderts]] einem (auch moralischen) Verfallsprozess ausgesetzt gewesen sei; Macht und Wohlstand hätten langfristig zu einem Werteverfall geführt, der die ökonomische und militärische Stärke des Imperiums schleichend schwinden ließ. Seit der [[Aufklärung]] wurde in diesem Zusammenhang oft das Christentum als ein wesentlicher Faktor benannt, während insbesondere [[Marxismus|marxistisch]] beeinflusste Gelehrte vor allem sozioökonomische Krisen verantwortlich machten. Äußeren Angriffen wurde hingegen nur eine sekundäre Bedeutung zugesprochen.
* '''Katastrophe''': Im Gegensatz zur ''Dekadenztheorie'' hat dieser ebenfalls früh formulierte Ansatz auch heute noch Vertreter in der Fachwissenschaft. Diese gehen davon aus, dass es der gewachsene äußere Druck gewesen sei, der im 4. und 5. Jahrhundert zum Untergang Westroms geführt habe. Eine wichtige Rolle wird dabei dem Auftreten der [[Hunnen]] zugeschrieben, deren Vorstoß in den Westen eine [[Völkerwanderung]] ausgelöst habe, der das dünn besiedelte, durch Ertragsrückgänge und Fiskalschwäche sowie Sonderinteressen des Provinzadels geschwächte Westreich nicht habe standhalten können. Zudem sei der Vorstoß der Hunnen und Germanen vom Ostreich gezielt nach dem Westen umgelenkt worden. Folgt man dieser Sichtweise, so wurde Westrom von (überwiegend germanischen) Invasoren erobert; sein Ende ist also primär das Ergebnis katastrophaler Ereignisse, die über ein allerdings geschwächtes Westreich von außen hereinbrachen. Aktuelle Vertreter dieser Position sind unter anderem [[Peter J. Heather]] und [[Bryan Ward-Perkins]]. im Vergleich zum [[Optimum der Römerzeit]])
* '''Transformation''': Weit verbreitet ist in der gegenwärtigen Forschung die Ansicht, es sei irreführend, von den politischen Veränderungen überhaupt auf einen ''Untergang'' Roms zu schließen. Vielmehr lasse sich in kultureller, sozialer und ökonomischer Hinsicht stattdessen ein langsamer Wandlungsprozess beobachten, an dessen Ende sich das ''Imperium Romanum'' in die Welt des [[Mittelalter]]s transformiert habe, ohne dass radikale Brüche zu konstatieren seien. Aktuelle Vertreter dieser Position sind unter anderem [[Peter Brown (Historiker)|Peter Brown]], der dabei vor allem die Entwicklung der Religion und das Oströmische Reich im Blick hat, ferner [[Walter A. Goffart]] und [[Averil Cameron]]. Auch Max Weber vertrat die These, dass sich das Römische Reich in der späten Kaiserzeit in eine [[Feudalismus|vorfeudale]] Gesellschaft transformierte; er betonte jedoch die Krisenhaftigkeit dieser Entwicklung.
* '''Bürgerkrieg''': In jüngster Zeit wird vermehrt die Position vertreten, das Ende Westroms sei weder durch eine friedliche Transformation noch durch äußere Angriffe verursacht worden, sondern sei vielmehr eine Konsequenz aus jahrzehntelangen Bürgerkriegen gewesen, durch welche Macht und Ansehen der weströmischen Regierung so sehr erodiert seien, dass nach ihrem Kollaps schließlich die Anführer ([[Rex (Titel)|''reges'']]) reichsfremder Söldnerheere (''[[foederati]]'') an ihre Stelle getreten seien und lokale Herrschaften etabliert hätten. Aktuelle Verfechter dieser in Ansätzen schon von [[Hans Delbrück]] vertretenen Position sind unter anderem [[Guy Halsall]], [[Henning Börm]] und [[Christian Witschel]].


[[Kategorie:Römisches Reich]]
[[Kategorie:Römisches Reich]]

Version vom 29. Juli 2023, 05:54 Uhr

Der Untergang des Römischen Reiches im Westen ist ein viel diskutiertes Thema der Altertumswissenschaft. Es geht um die Gründe für den allmählichen Niedergang des westlichen Reichsteils, der mit der Absetzung des weströmischen Kaisers Romulus Augustulus im Jahr 476 (bzw. mit dem Tod des letzten von Ostrom anerkannten Kaisers Julius Nepos im Jahr 480) endete, wobei höchst unterschiedliche Theorien entworfen wurden und werden. Zentral ist hierbei vor allem die Frage, ob primär innere Faktoren (z.B. strukturelle Probleme, angebliche Dekadenz, religiöse und soziale Umbrüche, Bürgerkriege) oder der Druck durch äußere Angreifer (Völkerwanderung, Germanen, Hunnen, Perser) für den Niedergang des Reiches verantwortlich zu machen sind. Die Frage nach dem Untergang des Römischen Reiches ist eng verknüpft mit den Wandlungsprozessen der Spätantike sowie der Definitionsfrage um das Ende der Antike.

Das Oströmische/Byzantinische Reich überdauerte den Zusammenbruch des weströmischen Kaisertums. Es ging erst 1453 mit der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II., bei welcher der letzte byzantinische Kaiser Konstantin XI. den Tod fand, zu Ende.

Überblick

Die Positionen, die in der historischen Forschung zum Ende des Römischen Reiches im Westen vertreten wurden und werden, sind sehr vielfältig. Die meisten lassen sich jedoch grob den folgenden vier Ansätzen zuordnen:

  • Dekadenz: Diese vor allem in der älteren Forschung sowie in populärwissenschaftlichen Publikationen weit verbreitete Ansicht geht davon aus, dass das Römische Reich spätestens seit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts einem (auch moralischen) Verfallsprozess ausgesetzt gewesen sei; Macht und Wohlstand hätten langfristig zu einem Werteverfall geführt, der die ökonomische und militärische Stärke des Imperiums schleichend schwinden ließ. Seit der Aufklärung wurde in diesem Zusammenhang oft das Christentum als ein wesentlicher Faktor benannt, während insbesondere marxistisch beeinflusste Gelehrte vor allem sozioökonomische Krisen verantwortlich machten. Äußeren Angriffen wurde hingegen nur eine sekundäre Bedeutung zugesprochen.
  • Katastrophe: Im Gegensatz zur Dekadenztheorie hat dieser ebenfalls früh formulierte Ansatz auch heute noch Vertreter in der Fachwissenschaft. Diese gehen davon aus, dass es der gewachsene äußere Druck gewesen sei, der im 4. und 5. Jahrhundert zum Untergang Westroms geführt habe. Eine wichtige Rolle wird dabei dem Auftreten der Hunnen zugeschrieben, deren Vorstoß in den Westen eine Völkerwanderung ausgelöst habe, der das dünn besiedelte, durch Ertragsrückgänge und Fiskalschwäche sowie Sonderinteressen des Provinzadels geschwächte Westreich nicht habe standhalten können. Zudem sei der Vorstoß der Hunnen und Germanen vom Ostreich gezielt nach dem Westen umgelenkt worden. Folgt man dieser Sichtweise, so wurde Westrom von (überwiegend germanischen) Invasoren erobert; sein Ende ist also primär das Ergebnis katastrophaler Ereignisse, die über ein allerdings geschwächtes Westreich von außen hereinbrachen. Aktuelle Vertreter dieser Position sind unter anderem Peter J. Heather und Bryan Ward-Perkins. im Vergleich zum Optimum der Römerzeit)
  • Transformation: Weit verbreitet ist in der gegenwärtigen Forschung die Ansicht, es sei irreführend, von den politischen Veränderungen überhaupt auf einen Untergang Roms zu schließen. Vielmehr lasse sich in kultureller, sozialer und ökonomischer Hinsicht stattdessen ein langsamer Wandlungsprozess beobachten, an dessen Ende sich das Imperium Romanum in die Welt des Mittelalters transformiert habe, ohne dass radikale Brüche zu konstatieren seien. Aktuelle Vertreter dieser Position sind unter anderem Peter Brown, der dabei vor allem die Entwicklung der Religion und das Oströmische Reich im Blick hat, ferner Walter A. Goffart und Averil Cameron. Auch Max Weber vertrat die These, dass sich das Römische Reich in der späten Kaiserzeit in eine vorfeudale Gesellschaft transformierte; er betonte jedoch die Krisenhaftigkeit dieser Entwicklung.
  • Bürgerkrieg: In jüngster Zeit wird vermehrt die Position vertreten, das Ende Westroms sei weder durch eine friedliche Transformation noch durch äußere Angriffe verursacht worden, sondern sei vielmehr eine Konsequenz aus jahrzehntelangen Bürgerkriegen gewesen, durch welche Macht und Ansehen der weströmischen Regierung so sehr erodiert seien, dass nach ihrem Kollaps schließlich die Anführer (reges) reichsfremder Söldnerheere (foederati) an ihre Stelle getreten seien und lokale Herrschaften etabliert hätten. Aktuelle Verfechter dieser in Ansätzen schon von Hans Delbrück vertretenen Position sind unter anderem Guy Halsall, Henning Börm und Christian Witschel.