Gottfried Wilhelm Leibniz

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Gottfried Wilhelm Leibniz (* 01.07.1646 in Leipzig, Kurfürstentum Sachsen; † 14.11.1716 in Hannover, Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg) war ein deutscher Philosoph, Mathematiker, Jurist, Historiker und politischer Berater der frühen Aufklärung. Er gilt als der universale Geist seiner Zeit und war einer der bedeutendsten Philosophen des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts sowie einer der wichtigsten Vordenker der Aufklärung.

In frühen Schriften anderer Autoren wurde sein Nachname – analog zu demjenigen seines Vaters, Friedrich Leibnütz, und dessen väterlichen Vorfahren – auch „Leibnütz“, teils auch „Leibnitz“ (franz. Godefroi Guillaume Leibnitz) geschrieben. Sein Name wurde auch in verschiedenen Versionen latinisiert, z.B. als Godefridus Guilelmus Leibnitius. Ab 1671 wählte er die Schreibweise „Leibniz“ für seinen Familiennamen. In der älteren Literatur, bei manchen Korrespondenzpartnern und bisweilen sogar in der ersten Person wird der Name teils mit dem Adelsprädikat „von“ oder einem Freiherrntitel verbunden; eine tatsächliche Nobilitierung ist jedoch nicht belegt.

Leben[Bearbeiten]

Leibniz wurde nach dem damals in den protestantischen Territorien des Heiligen Römischen Reiches gültigen Julianischen Kalender am 21. Juni 1646 in Leipzig geboren und am 23. Juni in der Leipziger Nikolaikirche getauft. Sein Vater war der aus Altenberg im Erzgebirge stammende Jurist, Notar und Professor für Moralphilosophie (Ethik) Friedrich Leibnütz (1597–1652), seine Mutter Catharina war die Tochter des Leipziger Professors und Rechtswissenschaftlers Wilhelm Schmuck. In zweiter Ehe war der Vater mit der Tochter eines Buchhändlers verheiratet gewesen. Im Nachlass des Vaters und dessen beider Schwiegerväter gab es dementsprechend eine umfangreiche und vielfältige Bibliothek, zu der der frühe Tod des Vaters dem jungen Leibniz weitgehend unbeaufsichtigten Zugang gab: „Nicht nur die Anwesenheit der Bücher, sondern auch die Abwesenheit ihres Besitzers“ legten also den Grundstein für Leibniz’ Bildung. Als Achtjähriger lernte er in dieser Bibliothek autodidaktisch die lateinische und die griechische Sprache; als Zwölfjähriger entwickelte er beim Durchdenken logischer Fragestellungen die Anfänge einer mathematischen Zeichensprache.

Leibniz besuchte von 1655 bis 1661 die Nikolaischule in Leipzig, die im Original erhalten und saniert ist. 1661 immatrikulierte er sich an der Leipziger Universität und betrieb philosophische Studien beim Theologen Johann Adam Schertzer und dem Philosophietheoretiker Jakob Thomasius. 1663 wechselte er an die Universität von Jena, um sich dort unter Anleitung des Mathematikers, Physikers und Astronomen Erhard Weigel pythagoreischen Gedanken zu öffnen.

1666, noch im Alter von 19 Jahren, veröffentlichte Leibniz sein erstes Buch De Arte Combinatoria Später im selben Jahr, mit 20 Jahren, wollte sich Leibniz zum Doktor der Rechte promovieren lassen, doch die Leipziger Professoren lehnten ihn als zu jung ab. So ging er nach Nürnberg, um dort an der Universität Altdorf das Verwehrte nachzuholen. Vorübergehend stand er in Verbindung zu einer dortigen alchimistischen Geheimgesellschaft, deren Experimente er jedoch schon bald verspottete. Nach Leibniz’ eigener Darstellung bot ihm die Altdorfer Universität nach der Promotion eine Professur an, die Leibniz jedoch ablehnte.

Stattdessen trat er bis 1672 in den Dienst des Mainzer Erzbischofs Johann Philipp von Schönborn. Er lebte während seiner Mainzer Zeit im Boyneburger Hof, der Wohnstätte des kurmainzischen Oberhofmarschalls Johann Christian von Boyneburg, der ihm eine Stelle als Mitarbeiter des Hofrats Hermann Andreas Lasser verschafft hatte. Mit Lasser arbeitete er im Auftrag des Kurfürsten an einer Reform des römischen Rechts (Corpus juris reconcinnatum). Sein Werk Nova methodus discendae docendaeque jurisprudentiae („Eine neue Methode, die Jurisprudenz zu lernen und zu lehren“) erlangte in einschlägigen Kreisen starke Rezeption. Im Jahre 1670 stieg Leibniz trotz seiner lutherischen Konfession zum Rat am kurfürstlichen Oberrevisionsgericht auf. 1671 erschienen zudem zwei Traktate zur Physik. Entwürfe und Fragmente zur Metaphysik – die im Sinne der traditionellen Natürlichen Theologie Grundthesen des christlichen Glaubens philosophisch belegen sollte – und zur Politik zeigen die große Spannweite des intellektuellen Projekts, in dem diese Schriften verortet waren.

1672 reiste Leibniz auf eigenen Wunsch nach Paris, wo er als Hofmeister für Boyneburgs jungen Sohn tätig war. Dort wollte er dem „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. einen Plan für einen Eroberungsfeldzug gegen Ägypten unterbreiten, um ihn von den geplanten Eroberungskriegen in Europa abzubringen. Doch Leibniz traute sich nicht, den Plan zu übergeben; über einhundert Jahre später jedoch setzte Napoleon Bonaparte ihn in der Ägyptischen Expedition um. 1672/73 vollendete Leibniz Arbeiten an seiner Rechenmaschine mit Staffelwalze für die vier Grundrechenarten, führte diese vor der Royal Society in London vor und wurde auswärtiges Mitglied dieser berühmten Gelehrtengesellschaft. Seit 1675 war er auch Mitglied der Académie des sciences in Paris. Das von Leibniz weiterentwickelte duale Zahlensystem legte den Grundstein zur rechnergestützten Informationstechnologie des 20. Jahrhunderts.

Schon Jahre zuvor, ab 1668, hatte sich unterdessen der welfische Herzog Johann Friedrich bemüht, Leibniz als Bibliothekar an seine Residenzstadt Hannover zu berufen. Doch erst nach mehreren Absagen sagte Leibniz, mittlerweile in finanziellen Nöten, dem Herzog schließlich im Jahr 1676 zu. Auf der – sehr ausgedehnten – Rückreise aus Paris besuchte er seinen Freund Henry Oldenburg in London und seinen philosophischen Lieblingsfeind Spinoza in Den Haag.

In Hannover wurde Leibniz rund zwei Jahre später auch zum Hofrat ernannt. Mit Kurfürstin Sophie von der Pfalz stand er dort in regem Gedankenaustausch. Neben der Arbeit als Bibliothekar hatte er eine Vielzahl von Aufgaben: 1682–1686 beschäftigte sich Leibniz mit technischen Problemen der Bergwerke im Oberharz. Er hielt sich häufig in Osterode und Clausthal auf, erprobte dort neue mechanische Vorrichtungen und machte zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung des Oberharzer Bergbaus. Leibniz hatte im Oberharz unter anderem eine horizontale Windmühle entwickelt, um damit die Grubenentwässerung zu optimieren. Viele seiner Ideen werden heute noch eingesetzt wie etwa das Endlosseil oder die konische Seiltrommel. Ab 1685 reiste Leibniz im Auftrag des Welfenhauses durch Europa, um eine Geschichte der Welfen zu schreiben – ein Projekt, das er bis zu seinem Lebensende nicht abschließen konnte. An politischen Erfolgen der Hannoveraner Welfen wie der Erhebung in den Kurfürstenstand 1692 und den Gewinn der britischen Königskrone 1714 war Leibniz durch juristische Gutachten beteiligt.

1698 bezog Leibniz das heute nach ihm benannte Leibnizhaus in Hannover. Hier ließ Leibniz bald darauf für Jahre seinen Schüler und Sekretär, den späteren Gelehrten Rafael Levi, ebenfalls wohnen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Leibnizhaus zerstört und 1983 an anderer Stelle mit rekonstruierter Fassade neu gebaut.

Leibniz stand in engem Kontakt zu anderen Fürsten und bemühte sich um eine bezahlte Stellung. Unter Ernst August wurde Leibniz 1691 auch Bibliothekar der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Leibniz trug Kaiser Leopold I. seine Pläne für eine Münzreform, zum Geld-, Handels- und Manufakturwesen, zur Finanzierung der Türkenkriege, zum Aufbau eines Reichsarchives und vieles andere vor. Doch es wurde ihm nur wohlwollende Aufmerksamkeit zuteil. 1713 verlieh ihm der Kaiser den Titel eines Reichshofrats mit einer kleinen Pension; seine Bemühungen um den Posten eines Kanzlers von Siebenbürgen scheiterten. Die ihm angebotene Bibliothekarsstelle im Vatikan musste Leibniz ebenso ausschlagen wie die eines Kanzlers im Hochstift Hildesheim: Diese Stellen hätten seine Konversion zum Katholizismus verlangt. Als Leibniz’ Dienstherr Herzog Georg Ludwig König von Großbritannien wurde, schlug er Leibniz den Wunsch ab, ihn an seinen neuen Hof in London begleiten zu dürfen: Leibniz blieb bis an sein Lebensende in Hannover.

Erfolgreicher waren seine Verbindungen zum brandenburgisch-preußischen Hof, wo Leibniz oft zu Gast war: Mit Königin Sophie Charlotte, Schwester seines Hannoveraner Dienstherrn, pflegte Leibniz einen engen intellektuellen Austausch. Mit Unterstützung Sophie Charlottes konnte 1700 in Berlin eine Kurfürstlich Brandenburgische Societät der Wissenschaften nach englischem und französischem Vorbild gegründet werden, die nach der Krönung von Kurfürst Friedrich III. zum König Friedrich I. in Preußen 1701 in Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften umbenannt wurde. Leibniz wurde ihr erster Präsident. Um diesen Erfolg auszudehnen, führte er 1704 in Dresden und 1713 in Wien Verhandlungen über die Gründung einer sächsischen bzw. kaiserlichen Akademie; auch Zar Peter dem Großen schlug er die Gründung einer Russischen Akademie der Wissenschaften vor, die dieser 1724 ins Werk setzte. Der Akademiegedanke verkörperte Leibniz’ Wissenschaftsideal, in systematischer Kooperation theoria cum praxi, Theorie und Praxis zu verbinden, und steht damit im Zentrum seines intellektuellen Projekts.

Kurz vor seinem Tod kühlten die Beziehungen zum Haus Hannover ab, das nun unter der Leitung von Georg I. Ludwig stand. Leibniz starb vereinsamt am 14. November 1716 im Alter von 70 Jahren in Hannover und wurde dort in der Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis beigesetzt. Umstritten ist der Rahmen der Begräbnisfeier. Vielfach wird behauptet, nur sein Sekretär sei beim Begräbnis anwesend gewesen und kein Geistlicher habe die Beisetzung begleitet. Dagegen berichten Johann Georg von Eckhart (Leibniz’ langjähriger Sekretär und Mitarbeiter) und Johann Hermann Vogler (sein letzter Assistent und Amanuensis), die Beisetzung habe am 14. Dezember 1716 durch Oberhofprediger David Rupert Erythropel stattgefunden. Eckhart, der wenige Tage nach Leibniz’ Tod zum Hofrat und dessen Nachfolger als Bibliothekar und Historiograph des Hauses Hannover ernannt worden war, berichtet aber auch, dass alle Kollegen, die Beamten des Hofes, zum Begräbnis eingeladen worden seien, aber nur Hofrat von Eckhart selbst als einziger „von Stand“ erschienen sei.

Auf dem Sarg ließ Hofrat von Eckhart ein Ornament anbringen, das eine Eins innerhalb einer Null zeigte, mit der Inschrift OMNIA AD UNUM (deutsch: „Alles (bezieht sich) auf das Eine“), als Hinweis auf das von Leibniz entwickelte binäre Zahlensystem und dessen theologische Deutung: Für Leibniz stand die 1 für Gott und die 0 für das Nichts.

Im Auftrag von Friedrich Simon Loeffler, dem Neffen und Erben von Gottfried Wilhelm Leibniz, erstellte der Bibliothekar Daniel Eberhard Baring ein Verzeichnis der von dem Universalgelehrten privat aufgebauten „Leibniz-Bibliothek“.