Graf

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Graf, weiblich Gräfin, ist ein Adelstitel, der in den meisten europäischen Ländern verliehen wurde.

Wortherkunft[Bearbeiten]

Die althochdeutschen Formen grafio und gravo stammen wahrscheinlich über das mittellateinische graffio vom byzantinisch-altgriechischen grapheusSchreiber“. Der lateinische Ausdruck comes, auf den die meisten anderssprachigen Versionen zurückgehen (frz. comte/comtesse, engl. count/countess, ital. conte/contessa, span. conde/condesa usw.) bedeutet wörtlich „Begleiter“ (des Königs). in spätrömischer Zeit wurde als comes largitionum (Begleiter der Schatzkammer) ein hoher kaiserlicher Finanzbeamter bezeichnet.

Graf als Adelstitel[Bearbeiten]

Amtsposition als Ursprung des Grafentitels[Bearbeiten]

Im Merowinger- und Frankenreich war ein Graf ein königlicher Amtsträger, der in einer Verwaltungseinheit, also einer Grafschaft oder einem Gau, die königlichen Hoheitsrechte ausübte. Karl der Große beseitigte die letzten Reste der älteren Stammesherzogtümer und führte stattdessen die sogenannte Grafschaftsverfassung ein. Die Verwaltung im Reich lag nun, wie bereits teils in merowingischer Zeit, vor allem in den Händen der Grafen. Diese fungierten nicht nur als Heerführer, sondern auch als königliche Amtsträger bei der Ausübung der Regalien. In bestimmten Bereichen waren sie Stellvertreter des Königs, zum Beispiel als Mark-, Burg- und Pfalzgrafen. Besondere Bedeutung erlangten die Markgrafen: In ihrem Amt bündelten sich verschiedene Kompetenzen in den neuen Marken, wo sie über weitreichende Sonderrechte verfügten.

Die Übertragung von Ämtern und Gütern an ausgesuchte Adelsfamilien sicherte deren Loyalität und begründete eine neue Reichsaristokratie, die an der Königsherrschaft partizipierte; es handelte sich damit in der Zeit Karls des Großen noch nicht um vererbbare, sondern verliehene Ämter. Einer besseren Herrschaftsdurchdringung des Vielvölkerreichs sollten die sogenannten Königsboten (missi dominici) dienen. Diese wurden paarweise entsandt, je ein weltlicher und ein geistlicher Bote (in der Regel ein Graf und ein Bischof), um Anweisungen und Erlasse durchzusetzen und Abgaben einzutreiben, aber auch zur Demonstration der königlichen Herrschaftspräsenz und zur Kontrolle vor Ort. Sie konnten in einem zugeteilten Bezirk wenn nötig die unmittelbare Herrschaftsgewalt ausüben und Urteile fällen. Es waren die missi, welche den Treueeid abnahmen, den in den Jahren 789 und 802 alle männlichen Bewohner des Reiches ab dem Alter von zwölf Jahren dem König leisten mussten, um ihm die Loyalität seiner Untertanen zu sichern. Auch später blieben die Grafen in bestimmten Gebieten des Reichsguts, einer Königspfalz mit Umland oder später einer Reichsburg mit Umland, Stellvertreter des Königs. In der Regel entstammten diese „Amtsgrafen“ dem fränkischen (nach Angliederung der entsprechenden Gebiete auch dem schwäbischen, bairischen oder sächsischen) Adel (Edelfreie). Meist verfügten sie in dem entsprechenden Amtsbezirk (der Grafschaft) über umfangreichen Eigenbesitz (Allod), was ihnen die Durchsetzung ihrer Amtsgewalt erleichterte. Der Graf war zunächst mit Wehrhoheit und Gerichtsbarkeit, später auch mit Finanz- und Verwaltungshoheit ausgestattet. Die Grafschaftsverfassung des Frankenreichs wurde außer in seinen Nachfolgestaaten Deutschland, Frankreich und Italien auch von England (County), Spanien und Ungarn (Komitat) übernommen.

Schon von Beginn an bestand durch die häufige Wahl der Grafen aus dem lokalen Adel die Tendenz zur Erblichkeit. Ein König musste schon gute Gründe vorbringen, um dem Sohn eines Grafen die Nachfolge seines Vaters zu verwehren. Seit den Ottonen wandelte sich die Bedeutung des Grafentitels durch seine zunehmende Erblichkeit und die Einbindung ins Lehnssystem vom ursprünglichen Amt zum Begriff für die zusammengefassten Rechte eines Adligen in einem bestimmten Bereich. Die Grafenrechte wurden durch Tausch, Verkauf und Erbteilungen immer mehr privatrechtlich behandelt, die Grenzen zwischen Amtsgewalt und Privatbesitz verschwammen. Als äußeres Zeichen dieser Entwicklung setzte sich vermehrt die Bezeichnung der Grafschaft nach dem jeweiligen Herrschaftsmittelpunkt (der Hauptburg) des Grafen anstatt nach der ursprünglichen Bezeichnung des betreffenden Reichsgaues durch. Im Hochmittelalter gerieten die meisten Grafschaften und damit deren Rechte unter die Kontrolle edelfreier oder aus der Ministerialität emporsteigender Geschlechter oder der bereits mächtigen Herzöge. Die Salier versuchten – ohne nachhaltigen Erfolg – die Reorganisation der Grafschaften durch ihren ministerialischen Dienstadel zu erreichen. Die Verwaltung der Grafschaft und der mit ihr verbundene Titel waren daher überwiegend nicht mehr mit einer jederzeit widerrufbaren Amtsposition verbunden, sondern zum erblichen Lehen geworden.