Pentarchie (Europa)
Pentarchie (für Fünfherrschaft) bezeichnet das bewegliche, mehrpolige System internationaler Beziehungen in Europa, das vom Ende des 18. an und besonders im 19. Jahrhundert von der Dominanz von eigentlich fünf, jedenfalls mehreren Mächten („Europäisches Konzert der Großmächte“) geprägt war und das zwischen diesen postulierte, angestrebte oder tatsächlich herrschende Gleichgewicht der Kräfte. Zu diesen Pentarchie-Mächten zählten Frankreich, Österreich, Großbritannien, Russland und Preußen.
18. Jahrhundert[Bearbeiten]
In der Folge des Österreichischen Erbfolgekrieges und Siebenjährigen Krieges hatte sich Preußen in den 1760er-Jahren als nunmehr fünfte Großmacht in Europa etabliert. Damit endete die seit 1659 vorherrschende Position Frankreichs in Europa. Fortan schien keine der fünf Mächte allein stark genug, die anderen zu dominieren, was den Frieden zumindest bis zum Ausbruch der Französischen Revolution und der napoleonischen Kriege förderte. Allerdings ist die Entstehung einer echten Pentarchie bereits im späten 18. Jahrhundert sehr umstritten, da die Ebenbürtigkeit der fünf Großmächte so noch nicht gegeben war: Insbesondere Frankreich stellte weiterhin die mit Abstand stärkste Militärmacht dar, während Preußen deutlich die kleinste Großmacht war. Was aber die Zeit bis 1750 von der habsburgisch-französischen Dauerrivalität prägte, war ab dem Renversement des alliances die österreichisch-preußische Rivalität (Deutscher Dualismus) und die propagandistisch aufgebaute deutsch-französische Erbfeindschaft für Mitteleuropa bestimmend.
19. Jahrhundert[Bearbeiten]
Entstehung[Bearbeiten]
Von der europäischen Pentarchie als einem weltpolitischen System spricht man vor allem in Bezug auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gemeint ist das sogenannte Wiener System von 1815 bis 1853, das auch Europäisches Konzert der Mächte genannt wird. Nach den napoleonischen Kriegen vereinbarten die vier Siegermächte auf dem Wiener Kongress Regelungen, die den Status quo (die bestehende Ordnung, außen- wie innenpolitisch) verteidigen sollten. In erster Linie dachten die Siegermächte Großbritannien, Russland, Österreich und Preußen an eine Verteidigung gegenüber Frankreich, in dem man nach wie vor revolutionäre Tendenzen vermutete. Die konservativen Ostmächte Russland, Österreich und Preußen vereinbarten dazu eine Heilige Allianz, um das monarchische Prinzip durchzusetzen, im Gegensatz zum modernen Nationalstaat, wie das revolutionäre Frankreich ihn zumindest propagiert hatte.
Es entwickelte sich aber rasch ein System, in dem sowohl Frankreich als auch die vier Siegermächte als sogenannte Pentarchie den Status quo bewahrten. Es ging darum, Kriege zwischen den Großmächten zu verhindern, aber auch, dass eine Großmacht sich nicht durch Eroberung und Einverleibung eines kleineren Landes in Europa vergrößerte. Dies hätte das Gleichgewicht gefährdet. Schließlich bekämpfte die Pentarchie revolutionäre, liberale oder soziale Erhebungen in den europäischen Ländern. Damit ähnelte die Pentarchie dem Deutschen Bund, der in Deutschland diese Bewegungen unterdrückte.
Beispiele[Bearbeiten]
- 1823 griff Frankreich mit Truppen in Spanien ein, nachdem 1821 eine Rebellion eine Verfassung durchgesetzt hatte. Spanien wurde wieder absolute Monarchie.
- In der Orientkrise 1839–1840 verhinderten die Großmächte, dass Ägypten sich vom Osmanischen Reich unabhängig machte; dies war ein Ziel Frankreichs gewesen.
- Als sich im Jahr 1830 in der Belgischen Revolution der südliche Landesteil vom Königreich der Vereinigten Niederlande lossagte, überlegte Frankreich, den französischsprachigen Teil zu annektieren. Mit Rücksicht auf Großbritannien unterblieb dies.
- 1848–1849 schlugen russische Truppen die Erhebung im österreichisch beherrschten Ungarn nieder.
- 1848–1851 bekämpfte Dänemark die deutsche Nationalerhebung in den zum Dänischen Gesamtstaat gehörenden Herzogtümern Schleswig und Holstein (Schleswig-Holsteinischer Krieg). Preußen musste auf Druck Großbritanniens seine Unterstützung für die deutsche Bewegung in den Herzogtümern einstellen, und das Londoner Protokoll (1852), unterzeichnet von den fünf Großmächten, schrieb den Status quo fest.
- 1863–1864 bezog Dänemark nach dem Scheitern der Gesamtstaatsverfassung Schleswig unter Ausschluss von Holstein in die Novemberverfassung ein, womit es gegen die Bestimmungen zum Gesamtstaat des Londoner Protokolls von 1852 verstieß. Eine Vermittlung der Großmächte zwischen Dänemark und Preußen auf der Londoner Konferenz 1864 schlug fehl. Der Deutsch-Dänische Krieg führte zu einer vorübergehenden Verwaltung der Herzogtümer durch die beiden Sieger, Österreich und Preußen. Preußen annektierte die Gebiete 1866.