Wissenschaftstheorie

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Die Wissenschaftstheorie (auch Wissenschaftsphilosophie, Wissenschaftslehre oder Wissenschaftslogik) ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit den Voraussetzungen, Methoden und Zielen von Wissenschaft und ihrer Form der Erkenntnisgewinnung beschäftigt. Begrifflich wird zwischen der Erkenntnisfähigkeit, dem Erkennen und den Erkenntnissen (den Resultaten des Erkennens) unterschieden, wobei beim allgemeinen Begriff der Erkenntnis anhand des Kontextes entschieden werden muss, was gemeint ist.

Historischer Überblick[Bearbeiten]

Die Beschäftigung mit wissenschaftstheoretischen Problemen, vor allem solchen, die die Struktur und Entwicklung wissenschaftlicher Kenntnisse und Methoden betreffen, reicht in ihren Anfängen bis in die Antike zurück (Aristoteles). Weiterführende Untersuchungen zu Teilproblemen der Wissenschaftstheorie finden sich bei Philosophen wie Francis Bacon, René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz, Jean Baptiste le Rond d’Alembert, Denis Diderot, Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, später Bernard Bolzano. Wissenschaft wird in diesen Untersuchungen vorwiegend als System wissenschaftlicher Erkenntnisse verstanden und Wissenschaftstheorie ist in diesem Sinne eng mit Erkenntnistheorie und Methodologie verbunden, also der Reflexion der konkret verwendeten Methoden.

Die allgemeine Wissenschaftstheorie stützt sich auf die formale Logik die auch aus der Sicht der einzelnen Disziplinen gewonnen wurden, z. B. aus der Ökonomie, Soziologie, Psychologie u.a. Dieser Prozess wird etwa von Ernst Mach, Karl Popper und Stephen Toulmin in Anlehnung an die Mechanismen der biologischen Evolutionstheorie als evolutionärer Prozess betrachtet.

Die Wissenschaftstheorie erarbeitet ihr eigenständiges Begriffssystem, verallgemeinert auf dieser Grundlage disziplinäre Erkenntnisse und versucht so ihrerseits zu einem einheitlichen theoretischen Fundament aller einzelner Forschungsdisziplinen zu werden.

Zeitgenössische Wissenschaftstheorie misst der Tatsache, dass das Betreiben von Wissenschaft eine soziale Aktivität ist, zunehmende Bedeutung bei – im Gegensatz zur traditionellen Wissenschaftstheorie, welche sich vorrangig auf das Wissenschaft betreibende Individuum fokussierte. Beigetragen haben hierzu etwa soziale Bewegungen wie Umweltaktivismus und Feminismus sowie Bedenken zu sozialen Folgen von durch Wissenschaft ermöglichte Technologien.

Im Rahmen dieses Wandels haben zusätzliche Fragen in der Wissenschaftstheorie an Bedeutung gewonnen:

  1. Inwiefern beeinflussen ethische (und nicht nur epistemische) Werte und soziale Normen die Wissensfindung bzw. -produktion? Welche Rolle können und sollten sie spielen?
  2. Welche Auswirkungen auf die Inhalte der Wissenschaften sowie auf das Verständnis von Wissen und wissenschaftlicher Praxis hatte es, dass bis vor historisch betrachtet sehr kurzer Zeit die Wissenschaftsgemeinschaft fast ausschließlich männlich war? Wie beeinflusst die soziale Organisation einer Wissenschaftsgemeinschaft das von ihr produzierte Wissen? (soziale Epistemologie der Wissenschaft) Inwiefern fließen gesellschaftliche Strukturen – wie etwa die privilegierte Position mancher Gruppen – in wissenschaftliche Zielsetzungen und Ideale ein?
  3. Wie genau verliefen in der Vergangenheit Prozesse in den Wissenschaften (z. B. die Lösung von wissenschaftlichen Kontroversen, die Ursachen bahnbrechender Entdeckungen, die Bewertung bestimmter Ideen als implausibel, die Häufigkeit von Replizierbarkeitsstudien) tatsächlich, oft in Kontrast zu formulierten Idealen der Wissenschaft?
  4. Welche Rolle spielt das soziale Element in den Wissenschaften: Verzerrt es die Wissensproduktion, ist es für Wissensfragen nebensächlich, aber in Hinblick auf bestimmte Tendenzen in der Wissenschaftsgemeinschaft aussagekräftig, oder ist es gar für menschliche Rationalität wesentlich, da kognitive Prozesse selbst soziale Prozesse seien?
  5. Sollte Verantwortlichkeit in den Wissenschaften mitgedacht werden?
  6. Wie kann mit Risiken und Unwägbarkeiten in Hinblick auf Folgen von Forschung umgegangen werden? (Diskutierte Lösungsvorschläge beinhalten z. B. Risikoanalysen und Kosten-Nutzen-Analysen). Sollten in die Entscheidung, ob eine Hypothese abgelehnt oder akzeptiert wird, auch die Risiken einer falschen Entscheidung mit hineinspielen?
  7. Ist eine Pluralität an wissenschaftlichen Methoden günstig oder sollte sie langfristig überwunden werden? (Pluralismus vs. Monismus)<ref name=":1" /> Gibt es eine einheitliche wissenschaftliche Methode oder ist es zutreffender, von einer Vielzahl von Wissenschaften zu sprechen, die lediglich Familienähnlichkeit aufweisen? (Abgrenzungsproblem)
  8. Sollte Wissenschaft nach Idealen wie Wertfreiheit und klassisch gedachter Objektivität streben oder versperren diese Ideale die Sicht darauf, dass in Wissenschaften inhärent Werturteile getroffen werden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von ihren persönlichen Einstellungen und Erfahrungen stets beeinflusst sind?
  9. Welche Alternativen zum Ideal der wertfreien Wissenschaft gibt es? Wie können Rationalität und Objektivität alternativ gedacht werden?

Infolge dieser Diskurse sind Moralphilosophie, Politische Philosophie, Wissenschaftssoziologie und Ethik der Wissenschaften in der Wissenschaftstheorie relevanter geworden.