Jäger und Sammler: Unterschied zwischen den Versionen

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In jedem Fall wird davon ausgegangen, dass in vielen Regionen (beispielsweise Zentralafrika, Südamerika, Indien) jahrtausendelang rege Austauschbeziehungen zwischen Wildbeutern und [[Pflanzbau|Pflanzern]] bestanden (etwa Wildbret oder Hilfeleistungen gegen landwirtschaftliche Produkte), so dass eine isolierte Betrachtung der extraktiven Lebensweise irreführend sein kann.
In jedem Fall wird davon ausgegangen, dass in vielen Regionen (beispielsweise Zentralafrika, Südamerika, Indien) jahrtausendelang rege Austauschbeziehungen zwischen Wildbeutern und [[Pflanzbau|Pflanzern]] bestanden (etwa Wildbret oder Hilfeleistungen gegen landwirtschaftliche Produkte), so dass eine isolierte Betrachtung der extraktiven Lebensweise irreführend sein kann.


Um 1.500 n. Chr. war noch etwa die Hälfte der bewohnbaren [[Landfläche]] der Erde von Jägern und Sammlern besiedelt. Zur gleichen Zeit lag ihr Anteil an der [[Weltbevölkerung]] jedoch nur bei geschätzten 1%, gegenwärtig sind es weniger als 0,001 %: geschätzte 50.000 bis 60.000 Menschen, mit rückläufiger Tendenz.
Um 1.500 n. Chr. war noch etwa die Hälfte der bewohnbaren [[Landfläche]] der Erde von Jägern und Sammlern besiedelt. Zur gleichen Zeit lag ihr Anteil an der [[Weltbevölkerung]] jedoch nur bei geschätzten 1%, gegenwärtig sind es weniger als 0,001 %: geschätzte 50.000 bis 60.000 Menschen, mit rückläufiger Tendenz.

Version vom 5. August 2023, 10:46 Uhr

Als Jäger und Sammler oder Wild- und Feldbeuter werden in der Anthropologie und Ethnologie (Völkerkunde) lokale Gemeinschaften und indigene Völker bezeichnet, die ihre Nahrung größtenteils durch die Jagd auf Wildtiere, den Fischfang sowie durch das Sammeln von wildwachsenden Pflanzen oder Kleintieren erwirtschaften. Karl-Heinz Kohl betrachtet die Bezeichnung Wildbeuter als abwertende Bezeichnung (lässt „Ausbeutung“ anklingen), auf die zu verzichten sei. Tatsächlich erfordert diese Lebensweise ein hohes Maß an Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und speziellen Kenntnissen.

Häufig wird eine Unterscheidung zwischen unspezialisierten (auch einfachen) und spezialisierten (auch komplexen oder differenzierten) Jäger- und Sammlerkulturen vorgenommen. Die Erstgenannten nutzen ein sehr breites, jedoch variierendes Nahrungsangebot in sehr großen Schweifgebieten, in denen sie in kleinen Horden saisonal nomadisieren. Die Letztgenannten nutzen vor allem eine oder mehrere bestimmte, lokal häufig vorkommende Arten, die größere Gruppen und längere Zeiten der Sesshaftigkeit ermöglichen.

Die Subsistenzform des Jagens, Fischens und Sammelns – eine aneignende oder „extraktive“ Lebensweise, durch die die Reproduktion der natürlichen Ressourcen nicht gezielt und bewusst beeinflusst wird – ist die älteste traditionelle Wirtschaftsform der Menschheit. Das heißt nicht, dass die Jäger und Sammler im Laufe langer Zeiträume keinen relevanten Einfluss auf das ökologische System ihres Lebensraumes hatten.

Die Zuordnung der einzelnen Wirtschaftsweisen ist in der Literatur nicht einheitlich: So unterscheiden etwa Lomax und Arensberg „Jäger und Fischer“ von „Sammlern“ und Hans-Peter Müller separiert die „Fischer“ von den „Jägern und Sammlern“, wenn sie überwiegend von Fisch leben.

Die Lebensweise vieler Jäger- und Sammlergesellschaften lässt sich heute nur noch aus archäologischen Funden rekonstruieren. Die schriftlichen Berichte früher Expeditionen sind nicht immer zuverlässig. So ist in vielen konkreten Fällen die Beantwortung der Frage schwierig oder auch strittig, ob es sich bei der Lebensweise untergegangener wie auch bestehender Wildbeuterkulturen um eine autonome und ursprüngliche, oder eine durch Kulturkontakte übernommene, oder durch vorteilhaften Austausch entstandene spezialisierte Lebensweise, oder gar um ein durch Isolation und Abdrängung von Völkern in Wüsten und Halbwüsten entstandenes Sekundärphänomen der nach-neolithischen Periode handelt.

In jedem Fall wird davon ausgegangen, dass in vielen Regionen (beispielsweise Zentralafrika, Südamerika, Indien) jahrtausendelang rege Austauschbeziehungen zwischen Wildbeutern und Pflanzern bestanden (etwa Wildbret oder Hilfeleistungen gegen landwirtschaftliche Produkte), so dass eine isolierte Betrachtung der extraktiven Lebensweise irreführend sein kann.

Um 1.500 n. Chr. war noch etwa die Hälfte der bewohnbaren Landfläche der Erde von Jägern und Sammlern besiedelt. Zur gleichen Zeit lag ihr Anteil an der Weltbevölkerung jedoch nur bei geschätzten 1%, gegenwärtig sind es weniger als 0,001 %: geschätzte 50.000 bis 60.000 Menschen, mit rückläufiger Tendenz.

Es ist sehr schwierig festzustellen, wie viele Menschen heute weltweit von Jagd- und Sammelwirtschaft leben, da gegenwärtig vielfach zusätzliche Subsistenz- und Erwerbsformen genutzt werden. Die Anzahl der Menschen, deren Lebensgrundlage zum größten Teil auf extraktiven Tätigkeiten beruht, liegt maximal bei 3,8 Millionen. Für die 2020er Jahre gehen Ethnologen von höchstens fünf bis zehn weitgehend intakten Wildbeutergesellschaften ohne westliche Einflüsse und Technologien aus.

Soziale Organisation

Meist haben die mobilen unspezialisierten Jäger- und Sammlergruppen 20 bis maximal 50 Mitglieder. Die Anthropologie geht davon aus, dass die Stärke solcher Gruppen auch in der Vorgeschichte immer unter 100 Köpfen lag. Für die sesshaften spezialisierten Wild-, Fisch- und Feldbeuter lagen die Zahlen deutlich höher (Beispiele: Blackfoot – berittene Bisonjäger: 80 bis 160 Personen, Calusa – Fischer in Florida: < 2.000 Personen)

Die Gruppen sind in Kleinfamilien gegliedert, die saisonal auch getrennt auf Nahrungssuche gehen. Wildbeuter-Gesellschaften leben und arbeiten als herrschaftsfreie (akephale) „Horden“ und sind häufig in einzelnen Segmenten organisiert, beispielsweise gebunden an verwandtschaftliche Clan-Linien. Bei günstigen Umweltbedingungen schließen sich mehrere Horden manchmal zeitweilig zu größeren Einheiten zusammen.

Der Einfluss des Einzelnen beruht auf Tüchtigkeit und Fähigkeit. Vollzeitspezialisten für einzelne Tätigkeiten sind unbekannt, obgleich es gewisse Personen mit besonderen Kenntnissen und Fertigkeiten gibt (vor allem die Medizinleute). Bei unspezialisierten Wildbeutern wird Wild in der Regel auf alle Gruppenmitglieder aufgeteilt, während Sammelnahrung zumeist nur der eigenen Familie zugutekommt.

Die Partnerwahl erfolgt außerhalb der Horde (exogam), jedoch zumeist innerhalb der eigenen Ethnie, die sich zur Wiedererkennung nicht selten in totemistische Clans gliedert. Bis auf Ausnahmen, die im Allgemeinen durch Akkulturation erklärt wurden, ziehen die Frauen zur Horde des Mannes (Patrilokalität).<ref name="Haller" />

Seit Ende der 1960er Jahre wird allerdings die These, dass die Jäger und Sammler isoliert und stationär wirtschaften, als Resultat von Untersuchungsmethoden angesehen, die vor allem die sozialen Exklusionsmechanismen wie Exogamie und Patrilokalität betrachten. So gehen Richard Fox und Nurit H. Bird-David davon aus, dass die räumlichen und sozialen Grenzen vieler lokaler Gemeinschaften gegenüber benachbarten Ethnien weitaus offener sind, als vormals angenommen wurde, und dass ihre Wirtschaftsweise oft sogar auf Austausch angelegt ist.