Nationalsozialismus: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Twilight-Line Medien
Zeile 25: Zeile 25:
1914 gründete sich der [[Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband|Deutschnationale Handlungsgehilfenverband]], und zwei ältere Antisemitenparteien vereinten sich als [[Deutschvölkische Partei]] (DVP). Diese vereinte sich im Kriegsverlauf mit dem Alldeutschen Verband. Auf dessen Initiative hin vereinten sich gegen Kriegsende aufgelöste mit neugegründeten völkischen Gruppen wie dem ''[[Antisemitenbund|Deutsch-Österreichischen Schutzverein Antisemitenbund]]'', der ''Deutschvölkischen Beamtenvereinigung'' und dem ''Bund völkischer Frauen'' zum [[Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund|Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund]]. Dieser hatte 1920 rund 200.000 Mitglieder in 600 Ortsgruppen, wurde aber nach dem [[Hitler-Ludendorff-Putsch]] 1923 verboten. Nach der Wiederzulassung der NSDAP verlor er ihr gegenüber an Einfluss und wurde 1933 ganz aufgelöst.
1914 gründete sich der [[Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband|Deutschnationale Handlungsgehilfenverband]], und zwei ältere Antisemitenparteien vereinten sich als [[Deutschvölkische Partei]] (DVP). Diese vereinte sich im Kriegsverlauf mit dem Alldeutschen Verband. Auf dessen Initiative hin vereinten sich gegen Kriegsende aufgelöste mit neugegründeten völkischen Gruppen wie dem ''[[Antisemitenbund|Deutsch-Österreichischen Schutzverein Antisemitenbund]]'', der ''Deutschvölkischen Beamtenvereinigung'' und dem ''Bund völkischer Frauen'' zum [[Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund|Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund]]. Dieser hatte 1920 rund 200.000 Mitglieder in 600 Ortsgruppen, wurde aber nach dem [[Hitler-Ludendorff-Putsch]] 1923 verboten. Nach der Wiederzulassung der NSDAP verlor er ihr gegenüber an Einfluss und wurde 1933 ganz aufgelöst.


Zudem verbreiteten sich seit der [[Oktoberrevolution]] von 1917 und dem folgenden [[Weiße Armee#Russland, Russischer Bürgerkrieg|Russischen Bürgerkrieg]] unter anderem durch russische Flüchtlinge viele antikommunistische Gruppen. Unter dem Propagandaschlagwort „[[jüdischer Bolschewismus]]“ setzten nationalkonservative Eliten und aus Frontsoldaten gebildete [[Freikorps]] Juden und Kommunisten gleich. Sie vertraten oft auch die [[Verschwörungstheorie]] eines angeblichen weltbeherrschenden [[Weltjudentum]]s. Darunter war die 1920 in München gegründete „[[Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (Verbindungsorganisation)|Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung]]“. Diese unterstützte die NSDAP finanziell und ideologisch.
Zudem verbreiteten sich seit der [[Oktoberrevolution]] von 1917 und dem folgenden [[Weiße Armee#Russland, Russischer Bürgerkrieg|Russischen Bürgerkrieg]] unter anderem durch russische Flüchtlinge viele antikommunistische Gruppen. Unter dem Propagandaschlagwort „[[jüdischer Bolschewismus]]“ setzten nationalkonservative Eliten und aus Frontsoldaten gebildete [[Freikorps]] Juden und Kommunisten gleich. Sie vertraten oft auch die [[Verschwörungstheorien]] eines angeblichen weltbeherrschenden [[Weltjudentum]]s. Darunter war die 1920 in München gegründete „[[Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (Verbindungsorganisation)|Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung]]“. Diese unterstützte die NSDAP finanziell und ideologisch.


Im Nationalsozialismus verschmolzen diese Strömungen und Gruppen ihre rassistischen, nationalistisch-„alldeutschen“ und imperialistischen Vorstellungen und Ziele miteinander. Das stärkste tragende Bindeglied ihrer vielfältigen Ideen war der Antisemitismus. Dieser zeigte sich seit der [[Novemberrevolution]] von 1918 zugleich als radikale Ablehnung der [[Weimarer Republik]], die diese Gruppen als von [[Novemberverbrecher]]n geschaffene „Judenrepublik“ denunzierten. Die Völkischen definierten ihre Weltanschauung als strikten Gegensatz zum [[Marxismus]] der Linksparteien, zum politischen [[Katholizismus]] der [[Zentrumspartei]] und zu ihrer Fiktion eines „Weltjudentums“. Teile der völkischen Bewegung vertraten auch schon Ideen von „Menschenzucht“ ([[Eugenik]]).
Im Nationalsozialismus verschmolzen diese Strömungen und Gruppen ihre rassistischen, nationalistisch-„alldeutschen“ und imperialistischen Vorstellungen und Ziele miteinander. Das stärkste tragende Bindeglied ihrer vielfältigen Ideen war der Antisemitismus. Dieser zeigte sich seit der [[Novemberrevolution]] von 1918 zugleich als radikale Ablehnung der [[Weimarer Republik]], die diese Gruppen als von [[Novemberverbrecher]]n geschaffene „Judenrepublik“ denunzierten. Die Völkischen definierten ihre Weltanschauung als strikten Gegensatz zum [[Marxismus]] der Linksparteien, zum politischen [[Katholizismus]] der [[Zentrumspartei]] und zu ihrer Fiktion eines „Weltjudentums“. Teile der völkischen Bewegung vertraten auch schon Ideen von „Menschenzucht“ ([[Eugenik]]).


[[Kategorie:Nationalsozialismus]]
[[Kategorie:Nationalsozialismus]]

Version vom 8. Januar 2024, 18:13 Uhr

Der Nationalsozialismus ist eine radikal antisemitische, rassistische, ultranationalistische, völkische, sozialdarwinistische, antikommunistische, antidemokratische und antipluralistische Ideologie. Seine Wurzeln hat er in der völkischen Bewegung, die sich etwa zu Beginn der 1880er Jahre im deutschen Kaiserreich und in Österreich-Ungarn entwickelte. Ab 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, wurde er zu einer eigenständigen politischen Bewegung im deutschsprachigen Raum.

Die 1920 gegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) gelangte unter Adolf Hitler am 30. Januar 1933 in Deutschland zur Macht, wandelte die Weimarer Republik durch Terror, Rechtsbrüche und die so genannte Gleichschaltung in die Diktatur des NS-Staats um. Dieser löste 1939 mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus, in dessen Verlauf die Nationalsozialisten und ihre Kollaborateure zahlreiche Kriegsverbrechen und Massenmorde verübten, darunter den Holocaust an etwa sechs Millionen europäischen Juden und den Porajmos an den europäischen Roma. Die Zeit des Nationalsozialismus endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 08.05.1945.

Im Zeichen der Bewältigung der NS-Vergangenheit sind seit 1945 NS-Propaganda, das Verwenden damaliger Symbole und politische Betätigung im nationalsozialistischen Sinn in Deutschland und Österreich verboten. In weiteren Staaten bestehen ähnliche Verbote. Neonazis und andere Rechtsextremisten vertreten weiterhin nationalsozialistische oder damit verwandte Ideen und Ziele. In der NS-Forschung ist umstritten, ob der Nationalsozialismus mit verallgemeinernden Begriffen wie Faschismus oder Totalitarismus beschrieben werden kann oder ob es sich um ein singuläres Phänomen handelt.

Bezeichnungen

Nationaler Sozialismus“ bezeichnete im deutschsprachigen Raum seit etwa 1860 Verbindungen von nationalistischen und sozialistischen Ideen. Vom „Nationalsozialismus“ sprach zuerst die 1903 in Österreich gegründete Deutsche Arbeiterpartei, die sich 1918 in Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) umbenannte. Entsprechend benannte sich auch die 1919 in Deutschland gegründete Deutsche Arbeiterpartei (DAP) 1920 in NSDAP um.

Mit der Bezeichnung „Nationalsozialismus“ grenzten diese neuen Parteien ihre Ideologie gegen den Internationalismus der sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien und vom konservativen Nationalismus älterer Parteien ab, indem sie sich deren Wählerschichten (Arbeitern und Mittelstand) als bessere Alternative anboten. Außerdem stellten sie einzelne antikapitalistische Forderungen in den Rahmen eines völkisch-rassistischen Nationalismus und präsentierten sich seit 1920 als „Bewegung“, nicht als Partei, um so Protestwähler und Politikverdrossene zu erreichen.

Heute bezeichnet der Begriff meist die besondere Ideologie Adolf Hitlers und seiner Anhänger. Als „Nationalismus“ definierte Hitler die Hingabe des Individuums an seine Volksgemeinschaft; deren Verantwortung für das Individuum nannte er „Sozialismus“. Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, ein Hauptziel der Sozialisten, lehnte er entschieden ab. Laut dem Historiker Hans-Ulrich Wehler lebte der Sozialismus in der NSDAP nur „in verballhornter Form“ als Volksgemeinschaftsideologie fort.

Zudem unterschied die NSDAP ihren Nationalsozialismus vom italienischen Faschismus. Faschismus dient seit 1925 (ausgehend von der Sowjetunion) jedoch vielfach als Oberbegriff für „Nationalsozialismus“ („Hitlerfaschismus“), italienischen Faschismus und verwandte antikommunistische Ideologien, Regimes und Systeme. In marxistischen Faschismustheorien wird der Nationalsozialismus als Form des Faschismus eingestuft. Nichtmarxistische Forscher, die den Nationalsozialismus als eine Spielart des Faschismus erklären, sind etwa Ernst Nolte, der ihn in seinem Werk Der Faschismus in seiner Epoche (1963) in Abgrenzung vom italienischen „Normalfaschismus“ als „Radikalfaschismus“ kennzeichnete, oder Wolfgang Benz, der ihn 2010 als die „radikalste Erscheinungsform faschistischer Ideologien“ bezeichnet. Jörg Echternkamp argumentiert, dass erst das von der transnationalen Faschismusforschung entwickelte Koordinatensystem eine Einordnung des Nationalsozialismus und einen Vergleich mit anderen Bewegungen erlaube. Die von vielen Wissenschaftlern bejahte Wesensverwandtschaft zwischen ihnen zeige sich aber weniger in den jeweiligen Programmen als in ihrem Aktionismus und ihrer immensen Gewaltbereitschaft.

Nach 1945 wurde der Nationalsozialismus besonders in den USA und der früheren Bundesrepublik Deutschland als Totalitarismus bezeichnet und unter diesem Oberbegriff mit der Ideologie und dem Herrschaftssystem des Stalinismus parallelisiert. Faschismus- und Totalitarismustheorien werden in der Forschung kontrovers diskutiert. Die Historiker Michael Burleigh und Wolfgang Wippermann argumentieren, dass die Subsumierung des Nationalsozialismus unter eine dieser Theorien seinen Wesenskern, das rasseideologische Programm, verkenne. Laut der französischen Psychoanalytikerin Janine Chasseguet-Smirgel und dem deutschen Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn rationalisiert die Anwendung des Faschismusbegriffs auf den Nationalsozialismus den Holocaust und verharmlost ihn dadurch. Dies diene unbewusst der Verdrängung und Abwehr der Schuld der Eltern- bzw. Großelterngeneration. Aus diesen und anderen Gründen plädieren diese Forscher, aber auch Karl Dietrich Bracher und Bernd Martin dafür, den Nationalsozialismus als eigenständiges und singuläres Phänomen anzusehen.

Die Ausdrücke „Nazis“ für die Nationalsozialisten und „Nazismus“ für ihre Ideologie wurden seit den 1920er Jahren bei ihren Gegnern in der Arbeiterbewegung, später auch bei den befreiten Häftlingen des KZ Buchenwald und in der DDR üblich. Bis heute werden sie außerhalb des deutschsprachigen Raums standardmäßig verwendet. Heutige Anhänger des Nationalsozialismus werden oft „Neonazis“ genannt.

Entstehung

Deutsche Antisemiten hatten sich seit 1879 in mehreren politischen Parteien, vielen Gruppen und Vereinen organisiert. Die Antisemitenparteien wollten die jüdische Emanzipation beenden und revidieren, verfehlten ihre Ziele jedoch. Nach Stimmverlusten bei der Reichstagswahl 1912 bildeten sich neue, überparteiliche antisemitische Vereine und Verbände wie der Reichshammerbund von Theodor Fritsch, der „Verband gegen die Überhebung des Judentums“ und der geheime Germanenorden, aus dem 1918 die Münchner Thule-Gesellschaft hervorging. Aus ihrer Zeitschrift, dem Münchener Beobachter mit dem Hakenkreuz als Titelsymbol, wurde das Parteiorgan der NSDAP, der Völkische Beobachter.

Ein weiterer Vorläufer des Nationalsozialismus war der kleine, extrem nationalistische und imperialistische überparteiliche Alldeutsche Verband (gegründet 1891). Er strebte eine kriegerische Erweiterung des deutschen „Lebensraums-“ und Unterwerfungspolitik an. Im Ersten Weltkrieg erreichte er mit seiner starken antisemitischen Propaganda die staatliche Judenzählung von 1916. Nach 1918 forderte er eine „nationale Diktatur“ gegen „Fremdvölkische“.

1914 gründete sich der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband, und zwei ältere Antisemitenparteien vereinten sich als Deutschvölkische Partei (DVP). Diese vereinte sich im Kriegsverlauf mit dem Alldeutschen Verband. Auf dessen Initiative hin vereinten sich gegen Kriegsende aufgelöste mit neugegründeten völkischen Gruppen wie dem Deutsch-Österreichischen Schutzverein Antisemitenbund, der Deutschvölkischen Beamtenvereinigung und dem Bund völkischer Frauen zum Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund. Dieser hatte 1920 rund 200.000 Mitglieder in 600 Ortsgruppen, wurde aber nach dem Hitler-Ludendorff-Putsch 1923 verboten. Nach der Wiederzulassung der NSDAP verlor er ihr gegenüber an Einfluss und wurde 1933 ganz aufgelöst.

Zudem verbreiteten sich seit der Oktoberrevolution von 1917 und dem folgenden Russischen Bürgerkrieg unter anderem durch russische Flüchtlinge viele antikommunistische Gruppen. Unter dem Propagandaschlagwort „jüdischer Bolschewismus“ setzten nationalkonservative Eliten und aus Frontsoldaten gebildete Freikorps Juden und Kommunisten gleich. Sie vertraten oft auch die Verschwörungstheorien eines angeblichen weltbeherrschenden Weltjudentums. Darunter war die 1920 in München gegründete „Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung“. Diese unterstützte die NSDAP finanziell und ideologisch.

Im Nationalsozialismus verschmolzen diese Strömungen und Gruppen ihre rassistischen, nationalistisch-„alldeutschen“ und imperialistischen Vorstellungen und Ziele miteinander. Das stärkste tragende Bindeglied ihrer vielfältigen Ideen war der Antisemitismus. Dieser zeigte sich seit der Novemberrevolution von 1918 zugleich als radikale Ablehnung der Weimarer Republik, die diese Gruppen als von Novemberverbrechern geschaffene „Judenrepublik“ denunzierten. Die Völkischen definierten ihre Weltanschauung als strikten Gegensatz zum Marxismus der Linksparteien, zum politischen Katholizismus der Zentrumspartei und zu ihrer Fiktion eines „Weltjudentums“. Teile der völkischen Bewegung vertraten auch schon Ideen von „Menschenzucht“ (Eugenik).