Geschichte Russlands

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Die Geschichte Russlands bietet einen Überblick über die Vorgeschichte, Entstehung und Entwicklung des russischen Staates.

Ausgehend von der frühesten Besiedlung verschiedener Stämme des heutigen russischen Territoriums seit der Altsteinzeit, beschäftigt sich dieser Artikel mit der Entstehung der Kiewer Rus, eines ostslawischen Großreiches, das sich um 980 formierte, durch die Annahme des Christentums von Byzanz her (988/89) in die christliche Ökumene eintrat und schließlich 1240 dem Mongolensturm zum Opfer fiel. Die mongolische Invasion der Rus führte zum Zusammenbruch des Reiches von Kiew, dessen Nachfolgereiche (im Westen von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, im Osten bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts) unter die Herrschaft der Goldenen Horde fielen. In der Zeit der Herrschaft der Tataren kam es zu einer Entfremdung gegenüber dem westlichen Kulturkreis.

Der zunehmende Zerfall der Goldenen Horde und die gleichzeitige innere und äußere Konsolidierung der nordöstlichen Rus rund um das Großfürstentum Moskau begünstigte die zunehmende russische Kolonisation, die die russische Geschichte seitdem entscheidend geprägt hat. Einer Phase der inneren Zerrüttung, der sogenannten Smuta, am Anfang des 17. Jahrhunderts, folgten mehrere Kriege gegen Polen-Litauen sowie Kriege gegen das Osmanische Reich. Zar Peter I. modernisierte mit den nach ihm benannten Reformen das seit 1721 imperiale Russische Reich und führte es an Westeuropa heran. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts festigte das Russische Reich seinen Anfang des Jahrhunderts erworbenen Großmachtstatus, baute ihn weiter aus. Die schnelle räumliche Ausdehnung zu dieser Zeit ließ jedoch für die innere Entwicklung kaum staatliche Mittel übrig, da das reale Sozialprodukt bald stagnierte. Nach dem Sieg über die Grande Armée in Napoleons Russlandfeldzug 1812 festigte das Russische Reich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Vorherrschaft auf dem europäischen Festland. Aufgrund der herrschenden Autokratie und der zu Beginn des 17. Jahrhunderts eingeführten Leibeigenschaft konnte das agrarisch geprägte Reich jedoch mit den sich rasant entwickelnden Industriestaaten immer weniger Schritt halten, bis schließlich Zar Alexander II. nach der Niederlage im Krimkrieg eine Phase der inneren Reformen anschob.

Die Reformen beschleunigten Russlands wirtschaftliche Entwicklung, doch das Land wurde immer wieder von inneren Unruhen destabilisiert, da die politischen Veränderungen nicht weitreichend genug waren und große Teile der Bevölkerung ausgeklammert wurden. Durch die Februar- und Oktoberrevolution im Jahre 1917 während des Ersten Weltkriegs wurde die Zarenherrschaft über Russland beendet und in der Folge die sozialistische Sowjetunion gegründet, die bis 1991 Bestand hatte. Der „Große Vaterländische Krieg“ begann am 22.06.941 mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion und endete nach dem Ende der Schlacht um Berlin mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 08./09.05.1945. Dieses Datum wird bis heute in Russland als Tag des Sieges begangen. Vor allem wegen der von Deutschen geplanten und ausgeführten Massenverbrechen an der Zivilbevölkerung starben im Kriegsverlauf zwischen 24 und 40 Millionen Bewohner der Sowjetunion. Nach der Auflösung der Sowjetunion erlebten ihre Nachfolgestaaten einen schwierigen Transformationsprozess, zunächst mit großen Einbrüchen sowohl beim nationalen BIP als auch bei der wirtschaftlichen Situation vieler Menschen. Darauf folgte in der Russischen Föderation ab dem Jahr 2000 ein von der Weltkonjunktur begünstigter Aufschwung, der 2013 beendet war.

Frühgeschichte[Bearbeiten]

Endlos erscheinende Weiten und die Einförmigkeit riesiger Ebenen kennzeichnen den Raum. Im Süden und Südwesten begrenzen Gebirge (Kaukasus und Karpaten) das osteuropäische Tafelland. Die Küsten im Norden (Weißes Meer) und im Süden sind schwach gegliedert. Im Süden erreicht das europäische Flachland lediglich Binnenmeere (Schwarzes Meer und Kaspisches Meer). Nach Westen und Osten ist das osteuropäische Flachland offen. Weder die westlichen Sumpfgebiete (Pripjetsümpfe) noch der Ural sind eigentliche Verkehrshindernisse. Westsibirien stellt eine kontinentale Fortsetzung des europäischen Russlands dar. Eine Grenze verläuft am Rand des gebirgigen Mittel- und Ostsibiriens. Da keine westöstlichen Gebirge den osteuropäischen Tieflandsraum gliedern, reicht die Polarluft mitunter bis tief in den Süden ohne aufgehalten zu werden. Naturräumlich begrenzen die klimatischen Bedingungen die menschliche Besiedlung. Fast die Hälfte der Böden ist ständig gefroren oder taut nur an wenigen Tagen im Jahr auf. Durch die offenen und wenig Schutz bietenden Grenzen wurden die Menschen in diesen Gebieten häufig von äußeren Einfällen gefährdet.

Auf dem riesigen Gebiet Russlands sind Menschen seit etwa 100.000 Jahren nachgewiesen. Die Besiedlung verdichtete sich ab 35.000 v. Chr. in den weiträumigen Flussgebieten und klimatisch begünstigten Zonen. Die Jäger und Sammler wohnten in hütten- und zeltartigen Behausungen und Höhlen. Mit ihren Steinwaffen jagten sie vor allem das Mammut.

Der Übergang zu einer bäuerlichen Kultur vollzog sich in einigen Gegenden seit dem 6. Jahrtausend v. Chr. sehr früh, verstärkt seit dem 3. Jahrtausend v. Chr., wurden Pferde gezähmt und gezüchtet. Die Menschen der Kurgan-Kultur, die sich von der unteren Wolga und dem Dnepr-Becken ausbreiteten, nutzten das Tier zum Reiten und zum Wagenziehen. Viele Nomadenstämme durchzogen die weiten Steppen Russlands nun mit ihren Pferden.

Seit dem 12. Jahrhundert v. Chr. drangen immer wieder vom Kaukasus aus kriegerische Reiternomaden in die Steppen Russlands vor, unter anderem von Skythen und Sarmaten, und bildeten zum Teil frühe Großreiche. Eine genaue stammesmäßige Gliederung lässt sich für die Zeit nicht aufschlüsseln. Ein erstes Königtum der Skythen bildete sich im 7. Jahrhundert v. Chr. im heutigen Aserbaidschan heraus, ein zweites im 6. Jahrhundert v. Chr. am Nordrand des Schwarzen Meeres und in der Waldsteppe. Im 7. Jahrhundert v. Chr. stießen die Griechen im Zuge ihrer Kolonisationsbewegung auch in das Schwarze Meer vor und gründeten an der Südküste der Krim und am Bug und Dnepr Städte. Diese Griechenstädte waren für die nördlichen Nachbarn von großer Bedeutung. Sie blieben nach dem Sturm der Völkerwanderung wichtige politische und wirtschaftliche Stützpunkte des Byzantinischen Reiches, über die ein reger Handelsverkehr zu den nördlichen Nachbarn abgewickelt wurde (vgl. Chersones). Sprachgeschichtlich lässt sich auch noch keine Dominanz des Slawischen feststellen. Nach 500 v. Chr. bildeten sich anscheinend festere Gemeinschaften heraus. Nördlicher von ihnen waren in der Waldzone Finno-ugrische Völker, die nach Westen stießen, und Balten beheimatet.

Slawen waren ursprünglich am mittleren Dnepr, nördlich von Kiew fassbar. Die Herkunft des Namens ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Zumindest teilweise befanden sie sich in Abhängigkeit vom Gotenreich. Nach dessen Zerschlagung setzte eine Wanderungsbewegung auch nach Norden und Nord-Osten ein. Die slawischen Stämme, die sich unmittelbar auf dem Gebiet des heutigen Russlands niederließen, waren Ilmenslawen, Kriwitschen, Wjatitschen und Sewerjanen. Sie durchbrachen den Siedlungsgürtel der Balten und finno-ugrischen Stämme und kolonisierten die Waldgegenden um den Ilmensee. Gegenüber den slawischen Stämmen, die nach Westen vordrangen, begann sich bis Ende des 10. Jahrhunderts eine gemeinsame ostslawische Sprache herauszubilden. Ein Teil der Slawen geriet unter die Oberherrschaft des Chazarenreiches, das Ende des 5. Jahrhunderts zwischen unterer Wolga und Don entstanden war. Es umschloss sehr verschiedene ethnische Elemente (unter anderem Magyaren oder Alanen). Die Chazaren, türkischer Herkunft, bildeten nur eine Minderheit, stellten aber die Herrschaftselite.

Zwischen 552 und 745 befand sich auf einem Teil vom heutigen Territorium Russlands das Alte Großbulgarische Reich. Um 654 teilte sich Großbulgarien in drei Teile auf. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert gehörte das Land zwischen Wolga und Kama zum Reich der Wolgabulgaren.

Die ostslawischen Stämme des 9. Jahrhunderts befanden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Die Poljanen am Dnepr um Kiew sowie die Drewljanen hatten sich zu festeren Verbänden unter Fürsten zusammengeschlossen. Für die anderen Stämme fehlen solche Hinweise. Die verschiedenen Stämme trugen ihre Namen nach landschaftlichen Begebenheiten und waren untereinander eng verwandt. Eine genaue Abgrenzung der Siedlungsgebiete der Stämme ist nicht möglich.

Allgemein waren die Ostslawen sesshafte Ackerbauern und Viehzüchter. Aufgrund des kühlen Kontinentalklimas und den wenigen ertragreichen Böden (die fruchtbare Schwarzerdregion lag im südlicheren Steppengebiet), damit einhergehenden periodischen Missernten und Hungersnöten, wurde der traditionelle Lebensraum der Russen der Wald. Holz war bis ins 20. Jahrhundert das wichtigste Bau- und Brennmaterial. Die Waldgewerbe sowie die Waldbienenzucht oder die Jagd stellten lange Zeit bedeutende Wirtschaftszweige dar. Wachs und Pelze und andere Waldprodukte bildeten für viele Jahrhunderte die wichtigsten Exportgüter Russlands. Wald und Sümpfe behinderten den Verkehr, der deshalb in der Regel über die Flüsse ging. Das Land war aber nur inselhaft besiedelt. Nur von Orten, die an großen Verkehrswegen lagen, war daher eine herrschaftliche Erschließung möglich. Diese Orte bildeten Kiew am Dnepr, Weliki Nowgorod an der Einmündung des Wolchow aus dem Ilmensee und Alt-Ladoga an der Einmündung des Volchow in den Ladogasee.