Grenzland

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Grenzland ist ein Überbegriff für mehrere Arten von Grenzbereichen zwischen menschlichen Gesellschaften. Sie können deutliche Unterschiede in der Kultur bzw. der Weltanschauung aufweisen, in der staatlichen Organisationsform oder in anderen, eine gegenseitige Fremdheit ausmachenden Aspekten. Gesellschaften, die in diesen Räumen leben, nennt man Frontier Society.

Definition[Bearbeiten]

Grenzland (engl. Frontier) kann definiert werden als „eine besondere Art der Kontaktsituation, in der zwei Kollektive unterschiedlicher Herkunft und kultureller Orientierung miteinander in Austauschprozesse treten, bei denen sich Konflikt und Kooperation in unterschiedlichen Verhältnissen mischen“. Dabei müssen, wie noch ursprünglich von Frederick Jackson Turner gedacht, die Kollektive nicht Gesellschaften sein, die auf unterschiedlichen „Entwicklungsstufen“ stehen. Frontiers können sowohl Orte der Vernichtung als auch Orte der Neubildung oder beides gleichzeitig sein.

Politisch bedingtes Grenzland in Deutschland[Bearbeiten]

Mit der Gründung des ersten deutschen Nationalstaates 1871, des Deutschen Kaiserreiches als kleindeutsche Lösung, befanden sich nicht nur in der Habsburgermonarchie, sondern auch in den an die preußischen Ostmarken angrenzenden Gebieten (vgl. Deutsch-Balten) deutschsprachige Minderheiten, die außerhalb des Nationalstaates lebten oder von den preußischen polnischen Bewohnern majorisiert zu werden drohten (vgl. Kulturkampf). Zugleich hatten einige Landstriche des Reiches – etwa in der Gegend um Posen oder in der Lausitz – keine deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit.

Mit dem 1891 gegründeten „Alldeutschen Verband“ und dem 1894 gegründeten Deutschen Ostmarkenverein wurde eine Grenzlanddiskussion fortgesetzt, die in Friedrich List, Paul de Lagarde und Constantin Frantz wichtige Vorläufer hatte. Sie zielte darauf ab, alle deutschsprechenden Menschen in einem Staatswesen zusammenzufassen, das bei List ein deutsch-ungarisches Großreich mit Grenzen am Schwarzen Meer sein, bei Lagarde „Germanien“ heißen und nach Frantz eine mitteleuropäische Föderation unter deutscher Führung sein sollte. Der erste Vorsitzende der Alldeutschen und Reichstagsabgeordnete Ernst Hasse veröffentlichte in Fortsetzung dazu 1895 eine Schrift (Großdeutschland und Mitteleuropa um das Jahr 1950), in der er „Grenzkolonisation“ in Richtung Osten und Südosten als für die Deutschen geeignetste Kolonisationsform empfahl, was er mit seinem Buch Deutsche Grenzpolitik (München 1906) vertiefte. Als nach dem Ersten Weltkrieg noch mehr deutschsprachige Minderheiten außerhalb der enger gezogenen Nationalstaatsgrenzen lebten, erfuhr der Begriff „Grenzland“ in der Völkischen Bewegung und in Einrichtungen wie dem 1925 von Karl Christian von Loesch gemeinsam mit dem Volkstumspolitiker und Publizisten Max Hildebert Boehm in Berlin gegründeten „Institut für Grenz- und Auslandsstudien“ (IGA) eine propagandistische Aufwertung, die dann in die Expansionsbestrebungen des Nationalsozialismus mündete. So war bis 1945 von „Grenzlandarbeit“, Grenzlanddeutschtum, „Grenzlandeinsatz“, „Grenzlandpolitik“, „Grenzlandforschung“, (pseudo-)wissenschaftlichen „Grenzinstituten“ und „Grenzlanduniversitäten“ die Rede.

Das Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, IGL, das zur Abwehr des Versailler Vertrags geschaffen worden war, sprach sogar von „Grenzlandnot“. 1928–1929 erfolgte eine offizielle Anbindung der „Grenzlandforschung“ an das IGL, dessen „Abteilung Grenzlandnot“ die Aufgabe hatte, den „rein deutschen“ bzw. »germanischen« Charakter französisch vereinnahmter oder strittiger Territorien wie Elsaß-Lothringens, dem Saargebiet und dem Rheinland nachzuweisen, aber auch östliche Territorien bearbeiten sollte.

In einem neuen Sinn war von „Grenzland“ nach dem Zweiten Weltkrieg zu sprechen: Bis zum Fall des „Eisernen Vorhangs“ im Jahr 1989 zog sich mitten durch Europa ein breiter Streifen politischen Grenzlandes (vgl. auch: Zonenrandgebiet in der Bundesrepublik Deutschland), weil die früheren Beziehungen benachbarter Länder weitgehend unterbrochen waren.

Bayern nennt die neuen Universitätsgründungen in Bamberg und Bayreuth in der Nachbarschaft zu Tschechien „Grenzlanduniversitäten“.

Die deutschsprachigen Bewohner Nordschleswigs (Dänemark) sprechen ebenfalls von „Grenzland“, wenn sie ihren Lebensraum in der Nähe zu Deutschland meinen.