Renaissance-Humanismus

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Renaissance-Humanismus ist die moderne Bezeichnung für eine machtvolle geistige Strömung in der Zeit der Renaissance, die zuerst von Francesco Petrarca (1304–1374) angeregt wurde. Sie hatte in Florenz ein herausragendes Zentrum und breitete sich im 15. und 16. Jahrhundert über den größten Teil Europas aus.

In erster Linie war der Renaissance-Humanismus eine literarisch ausgerichtete Bildungsbewegung. Die Humanisten traten für eine umfassende Bildungsreform ein, von der sie eine optimale Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten durch die Verbindung von Wissen und Tugend erhofften. Humanistische Bildung sollte den Menschen befähigen, seine wahre Bestimmung zu erkennen und durch Nachahmung klassischer Vorbilder ein ideales Menschentum zu verwirklichen. Ein wertvoller, wahrheitsgemäßer Inhalt und eine vollendete sprachliche Form bildeten für die Humanisten eine Einheit. Daher galt ihr besonderes Augenmerk der Pflege des sprachlichen Ausdrucks. Der Sprach- und Literaturwissenschaft fiel im humanistischen Bildungsprogramm eine zentrale Rolle zu. Im Mittelpunkt standen dabei die Dichtkunst und die Rhetorik.

Ein prägendes Merkmal der humanistischen Bewegung war das Bewusstsein, einer neuen Epoche anzugehören, und das Bedürfnis, sich von der Vergangenheit der vorhergehenden Jahrhunderte abzugrenzen. Diese Vergangenheit, die man „Mittelalter“ zu nennen begann, wurde von maßgeblichen Vertretern der neuen Denkrichtung verächtlich abgelehnt. Insbesondere den spätmittelalterlichen scholastischen Lehrbetrieb hielten die Humanisten für verfehlt. Dem „barbarischen“ Zeitalter der „Finsternis“ stellten sie die Antike als schlechthin maßgebliche Norm für alle Lebensbereiche entgegen.

Ein Hauptanliegen der humanistischen Gelehrten war die Gewinnung eines direkten Zugangs zu dieser Norm in ihrer ursprünglichen, unverfälschten Gestalt. Daraus ergab sich die Forderung nach Rückbesinnung auf die authentischen antiken Quellen, knapp ausgedrückt in dem lateinischen Schlagwort ad fontes. Als besonders verdienstlich galt das Aufspüren und Veröffentlichen verschollener Werke der antiken Literatur, das mit großem Engagement betrieben wurde und zu spektakulären Erfolgen führte. Mit der Auffindung vieler Textzeugen wurde die Kenntnis des Altertums dramatisch ausgeweitet. Die Früchte dieser Bemühungen konnten dank der Erfindung des Buchdrucks einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dadurch nahm der Einfluss des kulturellen Erbes der Antike auf zahlreiche Lebensbereiche der Gebildeten stark zu. Außerdem schufen die Renaissance-Humanisten mit der Entdeckung und Erschließung von Handschriften, Inschriften, Münzen und sonstigem Fundmaterial die Voraussetzungen und Grundlagen der Altertumswissenschaft. Neben der Pflege der Gelehrtensprachen Latein und Griechisch befassten sie sich auch mit der volkssprachlichen Literatur und gaben ihr bedeutende Impulse.

Begriffsgeschichte[Bearbeiten]

Der Begriff „Humanismus“ wurde von dem Philosophen und Bildungspolitiker Friedrich Immanuel Niethammer (1766–1848) eingeführt. Niethammers 1808 veröffentlichte pädagogische Kampfschrift Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit erregte Aufsehen. Als Humanismus bezeichnete er die pädagogische Grundhaltung derjenigen, die den Unterrichtsstoff nicht unter dem Gesichtspunkt seiner praktischen, materiellen Verwertbarkeit beurteilen, sondern Bildung als Selbstzweck unabhängig von Nützlichkeitserwägungen anstreben. Dabei kommt der Erlangung sprachlicher und literarischer Kenntnisse und Fähigkeiten eine zentrale Rolle zu. Als entscheidender Faktor im Lernprozess gilt die Anregung durch das intensive Studium „klassischer“ Vorbilder, die man nachahmt. Dieses Bildungsideal war das traditionelle, seit der Renaissance allgemein herrschende. Daher begann man um die Mitte des 19. Jahrhunderts, die Geistesbewegung, die in der Epoche der Renaissance das Programm einer so konzipierten Bildung formuliert und umgesetzt hatte, als Humanismus zu bezeichnen.

Das Wort „Humanist“ ist erstmals gegen Ende des 15. Jahrhunderts bezeugt, und zwar zunächst als Berufsbezeichnung für Inhaber einschlägiger Lehrstühle, analog zu „Jurist“ oder „Kanonist“ (Kirchenrechtler). Erst im frühen 16. Jahrhundert wurde es auch für außeruniversitäre Gebildete verwendet, die sich als humanistae verstanden.

Selbstverständnis und Ziele der Humanisten[Bearbeiten]

Das Bildungsprogramm und seine literarische Grundlage[Bearbeiten]

Ausgangspunkt der Bewegung war das Konzept der Humanität (lateinisch humanitas „Menschennatur“, „das Menschengemäße, den Menschen Auszeichnende“), das in der Antike von Cicero formuliert worden war. Auf die Ausformung der humanitas zielten die von Cicero als studia humanitatis bezeichneten Bildungsbestrebungen. In antiken Philosophenkreisen – besonders bei Cicero – wurde betont, dass der Mensch sich vom Tier durch die Sprache unterscheidet. Das bedeutet, dass er in der Erlernung und Pflege sprachlicher Kommunikation seine Menschlichkeit lebt und das spezifisch Menschliche hervortreten lässt. Daher war der Gedanke naheliegend, dass die Kultivierung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit den Menschen erst richtig zum Menschen macht, wobei sie ihn auch moralisch emporhebt und zum Philosophieren befähigt. Daraus konnte man folgern, dass Sprachgebrauch auf dem höchsten erreichbaren Niveau die grundlegendste und vornehmste Tätigkeit des Menschen sei. Aus dieser Überlegung entstand in der Frühen Neuzeit der Begriff studia humaniora („die mehr [als andere Fächer] menschengemäßen Studien“ oder „die zu höherem Menschentum führenden Studien“) zur Bezeichnung der Bildung im humanistischen Sinn.

Aus dieser Sicht ergab sich die Würdigung der Sprache als Instrument des Selbstausdrucks der menschlichen Rationalität und der unbegrenzten Fähigkeit des Menschen, Bedeutungen zu vermitteln. Zugleich erschien die Sprache als das Medium, mit dem der Mensch seine Welt nicht nur erfährt, sondern auch konstituiert. Von solchen Gedankengängen ausgehend gelangten die Humanisten zur Annahme, dass zwischen der Qualität der sprachlichen Form und der Qualität des durch sie mitgeteilten Inhalts ein notwendiger Zusammenhang bestehe, insbesondere dass ein in schlechtem Stil geschriebener Text auch inhaltlich nicht ernst zu nehmen und sein Autor ein Barbar sei. Daher wurde am mittelalterlichen Latein heftige Kritik geübt, wobei ausschließlich die klassischen Vorbilder, vor allem Cicero, den Maßstab bildeten. Besonders die Fachsprache der Scholastik, die sich vom klassischen Latein weit entfernt hatte, wurde von den Humanisten verachtet und verspottet. Eines ihrer Hauptanliegen war die Reinigung der lateinischen Sprache von „barbarischen“ Verfälschungen und die Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Schönheit. Sprachkunst (eloquentia) und Weisheit sollten eine Einheit bilden. Nach humanistischer Überzeugung gedeihen die Studien auf allen Gebieten, wenn die Sprache in Blüte steht, und sie verfallen in Zeiten des sprachlichen Niedergangs.

Demgemäß wurde die Rhetorik als Kunst der sprachlichen Eleganz zur Zentraldisziplin aufgewertet. Auf diesem Gebiet war neben Cicero Quintilian für die Humanisten die maßgebliche Autorität. Eine Folge der gesteigerten Wertschätzung der Redekunst war die Rhetorisierung aller Formen der Kommunikation bis hin zu den Umgangsformen. Weil viele Wortführer der humanistischen Bewegung Rhetoriklehrer waren oder als Redner auftraten, nannte man die Humanisten oft auch einfach „Redner“ (oratores).

Ein Problem stellte das Spannungsverhältnis der grundsätzlich positiv bewerteten Sprachkunst zum philosophischen oder theologischen Bemühen um Wahrheitsfindung dar. Es erhob sich die Frage, ob eine vorbehaltlose Bejahung der Beredsamkeit gerechtfertigt sei, obwohl rhetorische Brillanz zur Täuschung und Manipulation missbraucht werden kann. Der Einwand, Eloquenz sei zwangsläufig mit Lüge verbunden und die Wahrheit spreche auch ohne rednerischen Schmuck für sich, wurde von den Humanisten ernst genommen und kontrovers diskutiert. Die Rhetorikbefürworter gingen von der humanistischen Grundüberzeugung aus, Form und Inhalt seien nicht zu trennen, ein wertvoller Inhalt erfordere schöne Form. Sie glaubten, guter Stil sei ein Zeichen angemessenen Denkens und eine ungepflegte Ausdrucksweise sei auch unklar. Diese Einstellung dominierte, doch es gab auch Vertreter der Gegenthese, die meinten, die Philosophie bedürfe keiner Beredsamkeit und die Wahrheitssuche vollziehe sich in einem eloquenzfreien Bereich.

Ihren Höhepunkt erreichte die Kultivierung der Sprache aus der Sicht der Humanisten in der Dichtkunst, die daher bei ihnen die höchste Wertschätzung genoss. Wie für die Prosa Cicero war für die Poesie Vergil das maßgebliche Vorbild. Als Krone der Dichtung wurde das Epos betrachtet, daher versuchten viele Humanisten das klassische Epos zu erneuern. Oft wurden die Epen von Herrschern in Auftrag gegeben und dienten deren Verherrlichung. Stark verbreitet war aber auch die Gelegenheitsdichtung, darunter Geburtstags-, Hochzeits- und Trauergedichte. Nördlich der Alpen waren poetische Reisebeschreibungen (Hodoeporica) beliebt. Vom Dichter erwartete man gemäß dem Ideal des poeta doctus das Sachwissen eines universal Gebildeten, das sowohl kultur- als auch naturwissenschaftliche und praktische Kenntnisse umfassen sollte. Sehr geschätzt wurden auch die Kunst des literarisch anspruchsvollen Briefwechsels und der literarische Dialog. Briefe wurden oft gesammelt und veröffentlicht; sie hatten dann einen belletristischen Charakter, waren teils für die Publikation bearbeitet oder frei erfunden. Ihre Verbreitung diente auch der Eigenwerbung und Selbststilisierung ihrer Verfasser.

Wer sich eine solche Sichtweise zu eigen machte und in der Lage war, sich mündlich und schriftlich in klassischem Latein elegant und fehlerfrei auszudrücken, wurde von den Humanisten als einer der ihren betrachtet. Erwartet wurde von einem Humanisten, dass er die lateinische Grammatik und die Rhetorik beherrschte, sich in antiker Geschichte und Moralphilosophie sowie in der altrömischen Literatur gut auskannte und lateinisch dichten konnte. Vom Ausmaß solcher Kenntnisse und vor allem von der Eleganz ihrer Präsentation hing der Rang des Humanisten unter seinesgleichen ab. Griechischkenntnisse waren sehr erwünscht, aber nicht notwendig; viele Humanisten lasen griechische Werke nur in lateinischer Übersetzung.

Die dauerhafte internationale Vorherrschaft des Lateins im Bildungswesen wurde auf seine ästhetische Vollendung zurückgeführt. Trotz dieser Dominanz des Lateinischen bemühten sich manche Humanisten aber auch um die gesprochene Sprache ihrer Zeit, die Volkssprache. In Italien war die Eignung des Italienischen zur Literatursprache ein intensiv erörtertes Thema. Manche Humanisten betrachteten die Volkssprache, das volgare, als prinzipiell minderwertig, da es eine verderbte Form des Lateinischen und somit ein Resultat des Sprachverfalls sei. Andere sahen im Italienischen eine junge, entwicklungsfähige Sprache, die besonderer Pflege bedürfe.

Das intensive humanistische Interesse an Sprache und Literatur erstreckte sich auch auf die orientalischen Sprachen, besonders auf das Hebräische. Dies bildete einen Ansatzpunkt für die Beteiligung jüdischer Intellektueller an der humanistischen Bewegung.

Da die Humanisten der Ansicht waren, dass möglichst alle Menschen gebildet sein sollten, stand den Frauen die aktive Teilnahme an der humanistischen Kultur offen. Frauen traten vor allem als Mäzeninnen, Dichterinnen und Autorinnen literarischer Briefe hervor. Einerseits fanden ihre Leistungen überschwängliche Anerkennung, andererseits hatten sich manche von ihnen auch mit Kritikern auseinanderzusetzen, die ihre Aktivitäten als unweiblich und daher unziemlich rügten.

Die Grundvoraussetzung des Bildungsprogramms war die Zugänglichkeit des antiken Literaturbestands. Viele der heute bekannten Werke waren im Mittelalter verschollen. Sie hatten den Untergang der antiken Welt nur in vereinzelten Exemplaren überdauert und waren nur in seltenen Abschriften in Kloster- oder Dombibliotheken vorhanden. Diese Texte waren den mittelalterlichen Gelehrten vor dem Beginn der Renaissance weitgehend unbekannt. Die humanistischen „Handschriftenjäger“ durchsuchten die Bibliotheken mit großem Eifer und entdeckten eine Vielzahl von Werken. Ihre Erfolge wurden enthusiastisch bejubelt. Die Funde waren allerdings in der Regel keine antiken Codices, sondern nur mittelalterliche Kopien. Von den antiken Handschriften hatten nur wenige die Jahrhunderte überstanden. Der weitaus größte Teil des antiken Schrifttums, das bis heute erhalten geblieben ist, wurde durch die Abschreibtätigkeit der von den Humanisten verachteten mittelalterlichen Mönche gerettet.