Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten

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Das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten (auch Abgeordnetenhaus; United States House of Representatives, oft nur the House) ist neben dem Senat eine der beiden Kammern des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika. Es steht in der Tradition der Zweikammer-Parlamente (Bikameralismus), die im britischen Parlament ihren Ursprung hat. Jeder Bundesstaat ist nach dem Anteil an der Gesamtbevölkerung im Repräsentantenhaus vertreten. Die wahlberechtigten Bürger der USA wählen die Abgeordneten im November der geraden Jahre für je zwei Jahre in ihrem jeweiligen Kongresswahlbezirk.

Im politischen System der USA ist das Repräsentantenhaus maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt und hat einige Kontrollfunktionen gegenüber dem Präsidenten. Es besitzt das alleinige Initiativrecht bei Steuer- und Haushaltsgesetzen, darüber hinaus kann nur dieses Haus ein Amtsenthebungsverfahren einleiten.

Sitz des Hauses ist der Südflügel des Kapitols in Washington, D.C. Die Mitglieder werden als Congressmen bzw. Congresswomen oder Representatives bezeichnet.

Die Verfassung legt die Größe des Parlaments nicht fest. Seit 1911 besteht das Repräsentantenhaus aus 435 Abgeordneten, die jeweils den Wahlbezirk repräsentieren, in dem sie gewählt wurden. Der bundesunmittelbare Regierungsbezirk (District of Columbia) und einige andere Territorien, die keine Bundesstaaten sind (wie die Außengebiet der Vereinigten Staaten, etwa Puerto Rico und Guam), entsenden nicht-stimmberechtigte Delegierte ins Repräsentantenhaus.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Verfassung der Vereinigten Staaten sah schon bei ihrer Entstehung 1787 ein Repräsentantenhaus vor. Ursprünglich waren 65 Mitglieder vorgesehen. Nachdem 1788 die erforderliche Ratifizierung der Verfassung durch neun US-Bundesstaaten zustande gekommen war, wurden die ersten Wahlen zum Repräsentantenhaus abgehalten. Schon am 04.03.1789 trat zwar die Verfassung in Kraft. Die Beschlussfähigkeit des Hauses wurde jedoch aufgrund mangelnder persönlicher Anwesenheit in New York City (der damaligen Hauptstadt der USA) erst am 01.04. desselben Jahres festgestellt. Der erste US-Kongress, dessen Bestandteil das 65-köpfige Gremium wurde, verabschiedete die gesetzliche Grundlage für die erste Volkszählung. 1790 wurde das Repräsentantenhaus, dessen Sitz inzwischen nach Philadelphia verlegt worden war, noch auf der gleichen Grundlage (65 Mitglieder, die nach der vorläufigen Verteilung im Art. 1 Abs. 2 der Verfassung unter den Bundesstaaten verteilt waren) neu gewählt. Der zweite Kongress verabschiedete dann auf Grundlage der inzwischen vorliegenden Volkszählungsergebnisse ein Gesetz, das die Repräsentation unter den Bundesstaaten neu verteilte. Dieses sah vor, 120 Sitze nach dem Hare/Niemeyer-Verfahren von Alexander Hamilton zu verteilen. Gegen diesen Gesetzentwurf legte Präsident George Washington das erste Veto der US-Geschichte ein. So verabschiedete der Kongress dann ein neues Gesetz, das 105 Sitze nach dem D’Hondt-Verfahren von Thomas Jefferson verteilte; dieses Gesetz trat mit der Genehmigung des Präsidenten auch in Kraft und bildete die Grundlage für die Wahlen zum dritten Kongress 1792, der 1793 zusammentrat.

Gemäß den Konföderationsartikeln funktionierte der Kongress als Einkammersystem, wobei jeder Bundesstaat eine Stimme hatte. Dieses System erwies sich jedoch als ineffizient, deshalb wurde 1787 der Konvent von Philadelphia einberufen, zu dem alle Bundesstaaten außer Rhode Island Delegierte entsandten. Die Frage, wie der Kongress zu strukturieren sei, führte zu scharfen Auseinandersetzungen:

  • Der Virginia-Plan von James Madison sah zwei Kammern im Kongress vor; das Unterhaus sollte direkt vom Volk gewählt werden, das Oberhaus hingegen vom Unterhaus. Dieser Plan wurde von bevölkerungsreichen Staaten wie Virginia, Massachusetts und Pennsylvania unterstützt, da eine Vertretung entsprechend der Bevölkerungszahl vorgesehen war.
  • Die kleineren Bundesstaaten bevorzugten hingegen den New-Jersey-Plan, in dem ein Kongress mit nur einer Kammer und eine gleichmäßige Vertretung der Bundesstaaten vorgesehen waren.

Schließlich einigte sich die Konvention auf den Connecticut-Kompromiss, wonach die Vertretung im Verhältnis zur Bevölkerungszahl im Repräsentantenhaus gewährleistet wurde, während im Senat jeder Bundesstaat gleichmäßig vertreten war.

Im 19. Jahrhundert herrschten zu regional unterschiedlich bewerteten Themen im Repräsentantenhaus öfters andere Mehrheiten als im Senat. Aufgrund der größeren Bevölkerungszahl in den Nordstaaten waren diese im Repräsentantenhaus den Südstaaten überlegen. Im Senat mit seiner gleichmäßigen Vertretung der Bundesstaaten gab es hingegen keine vergleichbare Dominanz des Nordens. Wiederholte Konflikte zwischen den beiden Häusern ergaben sich beim Thema Sklaverei. Ein Beispiel dafür ist der Gesetzesantrag Wilmot Proviso, der die Sklaverei in den Gebieten, die im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg gewonnen worden waren, verbieten sollte. Dieser Antrag wurde mehrmals vom Repräsentantenhaus angenommen, vom Senat jedoch blockiert. Die Meinungsverschiedenheiten über die Sklaverei und weitere Themen dauerten bis zum Bürgerkrieg (1861–1865). Im Laufe des Krieges wurden die Südstaaten, welche den Versuch einer Sezession unternommen hatten, besiegt und die Sklaverei abgeschafft. Nachdem sämtliche Südstaaten-Senatoren mit Ausnahme von Andrew Johnson zu Beginn des Krieges zurückgetreten waren, herrschte im Senat während des Bürgerkrieges zwischen Nord- und Südstaaten kein Gleichgewicht mehr.

In den folgenden Jahren der Reconstruction ergaben sich bedeutende Mehrheiten für die Republikanische Partei, was ein Großteil der Bevölkerung mit dem Sieg der Unionsstaaten im Bürgerkrieg in Verbindung brachte. Die Reconstruction dauerte bis etwa 1877. Die folgende Ära, bekannt unter dem Namen Gilded Age („Vergoldetes Zeitalter“), war durch harte politische Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner verfügten im Repräsentantenhaus zeitweilig über Mehrheiten.

Um 1890, in der Amtszeit des Republikaners Thomas Brackett Reed als Sprecher des Repräsentantenhauses, begann die Machtfülle des Sprechers (d. h., des Vorsitzenden, der von der Mehrheitspartei gewählt wird und normalerweise aus den Reihen ihrer Abgeordneten kommt) des Repräsentantenhauses dramatisch anzuwachsen. „Zar Reed“, wie sein Spitzname lautete, versuchte seine Anschauung umzusetzen: Das beste System besteht darin, eine Partei regieren und die andere zuschauen zu lassen. („The best system is to have one party govern and the other party watch.“) 1899 wurden die Stellen des Mehrheits- und Minderheitsführers („Majority Leader“ und „Minority Leader“) geschaffen. Der Minderheitsführer leitete die Partei, die in der Minderheit war, der Mehrheitsführer blieb jedoch dem Sprecher unterstellt. In der Amtszeit des Republikaners Joseph Gurney Cannon von 1903 bis 1911 erreichte das Amt des Sprechers seine höchste Bedeutung. Zu seinen Befugnissen gehörte der Vorsitz des einflussreichen Rules Committee („Regelausschuss“) sowie die Ernennung weiterer Ausschussmitglieder. Diese Befugnisse wurden in der „Revolution von 1910“ durch Demokraten und unzufriedene Republikaner eingeschränkt, welche sich Cannons autoritärer Amtsführung widersetzten.

Während der Amtszeit von Präsident Franklin D. Roosevelt (1933–1945) verfügten die Demokraten oftmals über mehr als eine Zweidrittelmehrheit. In den folgenden zehn Jahren ergaben sich wechselnde Mehrheiten, ehe die Demokraten von 1954 bis 1995 wieder die Mehrheit innehatten. In den 1970er Jahren wurden im Rahmen von Reformen die Befugnisse von Unterausschüssen gestärkt, während Ausschussvorsitzende ihre Macht verloren und nun von Parteiführern ernannt werden konnten. Damit sollte die Obstruktionspolitik einiger langjähriger Mitglieder eingeschränkt werden. Nach der Wahl 1994 errangen die Republikaner eine Mehrheit im Repräsentantenhaus. Der neue Sprecher Newt Gingrich brachte ein ambitioniertes Reformprogramm ein („Contract with America“) und verkürzte die Amtszeit von Ausschussvorsitzenden auf jeweils dreimal zwei Jahre. Ein großer Teil seiner vorgeschlagenen Reformen scheiterte jedoch im Kongress oder am Veto von Präsident Bill Clinton oder erfuhr in Verhandlungen mit Clinton wesentliche Änderungen. Gingrich setzte jedoch eine Kürzung der Mittel für Mitarbeiter der Ausschüsse um ein Drittel durch und konzentrierte die Mittel auf das Führungsamt des Sprechers, was laut Bill Pascrell langfristige Auswirkungen auf die Gesetzgebungsarbeit hatte, da Lobbyisten und die Parteiführungen zunehmend die Agenda der Politik bestimmen und die Fachpolitiker weniger Einfluss haben.

Bei der Wahl des Jahres 2006 verloren die Republikaner die Führung des Repräsentantenhauses an die Demokraten unter Sprecherin Nancy Pelosi. Durch die Wahl 2010 erhielten die Republikaner die Mehrheit zurück und behaupteten diese bis zu den Halbzeitwahlen 2018, in denen die Demokraten wieder die Mehrheit errangen. Bei den Zwischenwahlen 2022 errangen die Republikaner erneut eine Mehrheit im Repräsentantenhaus.