Spätantike

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Spätantike ist eine moderne Bezeichnung für das Zeitalter des Übergangs von der Antike zum Frühmittelalter im Mittelmeerraum und dem Vorderen Orient. In der neueren Forschung werden auch die an das Römische Reich angrenzenden Kulturräume, besonders der sassanidische Iran, als Teil der spätantiken Welt betrachtet.

Die zeitliche Abgrenzung der Spätantike ist in der Forschung umstritten. Als Begin der Übergangsepoche gilt aber meist der Regierungsantritt des römischen Kaisers Diokletian 284 n. Chr. Als grober Rahmen für das Ende der Antike kann gelten, dass die Spätantike im Westen des Römischen Reiches mindestens bis zur Absetzung des letzten Kaisers in Italien im Jahre 476 dauerte. Heute wird aber eher der Einfall der Langobarden in Italien im Jahr 568 als Einschnitt betrachtet. Das römische Westreich zerfiel dabei bereits im 5. Jahrhundert in eine Reihe faktisch unabhängiger germanisch-romanischer Reicht, die die kaiserliche Oberhoheit formal noch längere Zeit anerkannten. Im Osten des Reiches reicht die Epoche entweder bis zum Tod des oströmischen Kaisers Justinian I. 565 oder bis zur islamischen Expansion im 7. Jahrhundert. Neben politikgeschichtlichen und militärgeschichtlichen werden hierbei kulturelle, wirtschaftliche, religiöse, soziale und neuerdings auch ökologische Aspekte betrachtet. Zum Teil, wird der zeitliche Rahmen im kulturgeschichtlichen Kontext und im Hinblick auf den östlichen Mittelmeerraum und den Vorderen Orient bis ins späte 8. Jahrhundert ausgedehnt. In diesem Sinne hat sich die aktuelle Forschung davon gelöst, Beginn und Ende der Spätantike als starres chronologisches Gebilde zu begreifen, um stattdessen vielmehr unterschiedlich lange (regional verschiedene) Übergangszeiträume zu betrachten.

Die Epoche weist ein eigenständiges kulturhistorisches Profil mit einer Vielzahl von wechselseitigen Einflüssen auf. So gesehen war die spätantike Welt, die von Mittelmeerraum bis nach Zentralasien reichte, von vielfältigen und dynamischen Entwicklungen geprägt. Überlappende Handelsnetzwerke verbanden die spätantiken Großreiche Rom und Persien direkt oder indirekt mit Zentralasien, Indien und dem chinesischen Kulturraum, wobei neben Waren auch technische, kulturelle und religiöse Ideen ausgetauscht wurden. In neueren Forschungen wird entsprechend den Entwicklungen jenseits des Mittelmeerraums im Vorderen Orient (vor allem Persien) und in Zentralasien, aber auch im südarabischen Raum Beachtung geschenkt.

Seit Max Weber hat sich der Begriff Spätantike in der Forschung durchgesetzt. Jacob Burckhardt, ein Kulturhistoriker, hatte bereits 1853 diw Endung spätantike Zeit gebraucht, die am Ende des 19. Jahrhunderts vom österreichischen Kunsthistoriker Alois Riegl übernommen wurde. Vorteil der Bezeichznung ist, dass sie auf den gesamten Mittelmeerraum anwendbar ist, während der gebräuchliche Terminus frühbyzantinisch nur den Osten treffend charakterisiert. Im Verlauf der ausgehenden Spätantike durchlief Ostrom/Byzanz einen Transformationsprozess und musste zuletzt im 7. Jahrhundert große territoriale Verluste hinnehmen. Die zweite spätantike Großmacht, das neupersische Sassanidenreich, das vier Jahrhunderte lang Roms großer Rivale gewesen war, ging mit dem Tod des letzten persischen Großkönigs im Jahr 651 sogar ganz unter.

Der Siegeszug des Christentums gilt als herausragendes Ereignis dieser Epoche und damit verbunden das langsame Verschwinden vorchristlicher Kulte und Traditionen. In Kunst und Literatur entsteht durch die Ablösung bzw. Überformung klassischer griechisch-römischer durch christlich geprägte Formen und Themen ein eigener, charakteristischer Stil, der auch orientalische Einflüsse aufweist. Zudem steht die Spätantike unter den Zeichen der Reformierung von Heer und Veraltung durch Diokletian und Konstantin dem Großen, der Festigung der sakrale Stellung des Kaisers, vollendet und Justinian, der sog. Völkerwanderung und in deren Folge schließlich der Transformation des westlichen Teils des Römischen Reiches in eine germanisch-romanische Welt, die das Mittelalter prägen sollte. Der Westen als auch der Osten waren ab Mitte des 6. Jahrhunderts von den Folgen der sog. Justinianischen Pest betroffen.

Sie bildete den letzten Abschnitt des Altertums, der zwar nicht mehr der "klassischen" Antike angehört, aber auch noch nicht dem Mittelalter zugerechnet werden kann. Kennzeichnend ist ein Nebeneinander von antiken Traditionen und christlich-germanischer Überformung. Statt wie früher von einem Niedergang, spricht man dabei heute für die Jahre von etwa 300 bis 600 von einer Transformation des antiken Erbes und betont die Kontinuitätslinien.

Zeitliche Abgrenzung

Allgemeines

Die zeitliche Abgrenzung der Spätantike ist, wie Epocheneinschnitte allgemein, Gegenstand der geschichtswissenschaftlichen Diskussion und bis zu einem gewissen Grad willkürlich, da sie nicht zuletzt von den definierten Kriterien abhängt. Die Jahrhunderte zwischen Diokletian und Mohammed stellen eine Übergangsepoche dar, bei der es schwerfällt, eindeutige Schnitte zu setzen. Nicht alle Forschungsrichtungen gewichten die verschiedenen politik-, kunst-, kultur- und religionshistorischen Faktoren des allmählichen Wandels gleich. Zudem gibt es erhebliche regionale Unterschiede, im östlichen Mittelmeerraum hielten sich antike Strukturen fraglos länger als etwa am Rhein oder in Britannien. Für den Beginn wird meist das Jahr 284 n. Chr. (Herrschaftsantritt Diokletians) angegeben, aber auch die Zeit Konstantins mit ihrer religiösen Neuorientierung kann als entscheidender Einschnitt gelten. Hingegen ist das Ende der Spätantike weitgehend offen, da je nach Lehrmeinung und Forschungsinteresse verschiedene Ansätze möglich sind; die meisten diskutierten Daten liegen zwischen 476 und 641 n. Chr., es wurden aber auch noch spätere Zeitpunkte vorgeschlagen. Insgesamt hat es sich als sinnvoller erwiesen, von Übergangszeiträumen in den unterschiedlichen Regionen auszugehen statt von starren Jahreszahlen.

Die Frage nach dem "Ende der Antike"

In der älteren Forschung wurde das Ende der Antike oft mit der Absetzung des Romulus Augustulus und dem faktischen Ende des Römischen Reiches im Westen 476 n. Chr. gleichgesetzt, so bspw. von Otto Seeck, der eine einflussreiche Darstellung der Spätantike verfasste (für einen deutlich späteren Zeitpunkt plädierten dagegen bereits früh Wilhelm Enßlin und Ernst Kornemann). Diese Vorstellung lässt sich in den Quellen, etwa bei Marcellinus Comes, aber erst gut 40 Jahre später fassen. Es erscheint heute als mehr als fraglich, ob die Menschen des Jahres 476 dieses ebenfalls als Zäsur begriffen haben: Es gab zwar fortan in Ravenna keinen Kaiser mehr, aber das bedeutete nur, dass die Herrschaftsrechte im Westen nun auf den zweiten römischen Kaiser in Konstantinopel übergingen. Noch Justinian hat diese Ansprüche auch tatsächlich verwirklichen wollen. In der heutigen Forschung wird dem Jahr 476 daher in der Regel nicht mehr so viel Gewicht beigemessen wie früher (siehe im deutschsprachigen Raum etwa Alexander Demandt, Heinz Bellen, Jochen Martin, Mischa Meier, Hartmut Leppin, Roland Steinacher, Henning Börm, Rene Pfeilschifter oder Hartwin Brandt).

In der deutschsprachigen althistorischen Forschung wird heute vielmehr in der Regel erst das Ende der Herrschaft Justinians im Jahre 565 als entscheidende Zäsur gewählt. Justinian I. stand noch klar in der Tradition der antiken römischen Kaiser, was unter anderem in seiner universalen Herrschaftsauffassung deutlich wird. Er war überdies der letzte Kaiser, dessen Muttersprache Latein war, und betrieb zudem eine Politik, die wohl auf die Wiederherstellung des Reiches in seinen alten Grenzen abzielte (Restauratio imperii), was in Teilen sogar gelang. Der letzte große Zug der spätantiken „Völkerwanderung“, der Einfall der Langobarden in Italien, erfolgte 568, nur drei Jahre nach Justinians Tod, so dass die 560er Jahre für den ganzen Mittelmeerraum einen deutlichen Einschnitt markieren. Damit ergeben sich also die Jahre von 284 bis 565 als die derzeit in der (deutschsprachigen) Forschung gängigste Begrenzung der Epoche. Sie waren bereits im Humanismus vorgeschlagen worden, so insbesondere von Carlo Sigonio in seinen 1579 erschienenen Historiae de occidentali imperio a Diocletiano ad Iustiniani mortem.