Ingenieurwissenschaften

Aus Twilight-Line Medien

Als Ingenieurwissenschaften (auch Ingenieurwesen, Technikwissenschaften oder technische Wissenschaften) werden diejenigen Wissenschaften bezeichnet, die sich mit der Technik beschäftigen. Zentrale Fragestellungen betreffen die Forschung und Entwicklung, Konstruktion, Produktion und die Prüfung. Sie befassen sich somit nicht mit sämtlichen Aspekten der Technik, sondern mit der bereits vorhandenen Technik sowie mit der als realisierbar erachteten zukünftigen Technik. Vergangene Technik ist dagegen Gegenstand der Technikgeschichte, philosophische und soziologische Aspekte berücksichtigt die Technikphilosophie und die Techniksoziologie. Technik, die nach dem jeweiligen Kenntnisstand nicht realisierbar ist, wird in den Ingenieurwissenschaften nicht untersucht.

Zur Abgrenzung von der allgemeinen Technologie, die sich mit den allgemeinen Prinzipien der Technik beschäftigt, nennt man die einzelnen technischen Disziplinen zuweilen auch spezielle Technologien. Die meisten Ingenieurwissenschaften wurden im Laufe der industriellen Revolution zu eigenständigen Wissenschaften. Die drei klassischen Disziplinen sind der Maschinenbau, das Bauingenieurwesen und die Elektrotechnik. Daneben gibt es noch eine Vielzahl kleinerer ingenieurwissenschaftlicher Disziplinen, die in vielfältiger Beziehung zueinander stehen.

Die Ingenieurwissenschaften galten lange Zeit als angewandte Wissenschaft, insbesondere als angewandte Naturwissenschaft. Die Einteilung in angewandte und Grundlagenwissenschaften wurde jedoch aufgegeben. Die Ingenieurwissenschaften gelten als stark interdisziplinär und integrieren Erkenntnisse der Naturwissenschaften ebenso wie wirtschafts-, geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Erkenntnisse. Letztere betreffen beispielsweise die Leitung von Baustellen oder die wirtschaftliche Fertigung von Serienteilen. Außerdem bestimmen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in größerem Maße die Forschungsarbeiten der Ingenieurwissenschaften. Als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Umweltschutz gesellschaftlich immer bedeutender wurde, begannen Ingenieure zu erforschen, wie Technik ressourcenschonender gestaltet werden kann. Es geht den Ingenieurwissenschaften insbesondere um Wissen, das geeignet ist, Handlungen, etwa von Ingenieuren, anzuleiten. Sie werden daher auch den Handlungswissenschaften zugerechnet, gemeinsam mit der Medizin, den Wirtschaftswissenschaften und den Sozialwissenschaften.

Definition[Bearbeiten]

Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) gibt folgende Definition an

Technikwissenschaften schaffen kognitive Voraussetzungen für Innovation in der Technik und Anwendung technischen Wissens und legen die Grundlagen für die Reflexion ihrer Implikationen und Folgen.

Wobei die Technik definiert wird als künstliche, zweckgerichtete und materielle sowie immaterielle Elemente besitzende Objekte und Prozesse.

Disziplinen[Bearbeiten]

Die Ingenieurwissenschaften bilden eine Gruppe aus zahlreichen Einzelwissenschaften. Es gibt wie auch bei anderen Wissenschaftsgruppen viele Querbezüge zu anderen Wissenschaften. Dies betrifft die zahlreichen Verbindungen innerhalb der Ingenieurwissenschaften ebenso wie Übergänge zu anderen Wissenschaftsgruppen.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Geschichte der Ingenieurwissenschaften reicht weit zurück in die Anfänge der Menschheit. In der Steinzeit gab es erste Werkzeuge wie Faustkeile, später auch steinerne Bohrer, Sägen und Schaber, die somit frühe Vorläufer der Produktionstechnik darstellen. In der neolithischen Revolution wurden die Menschen sesshaft und gingen von der Periode der Jäger und Sammler über zu Ackerbau und Viehzucht. Erste Häuser wurden gebaut und somit das Bauingenieurwesen begründet. Gegen Ende der Steinzeit wurde auch das Kupfer entdeckt, das zunächst durch Schmieden und bald auch durch Gießen be- und verarbeitet werden konnte. Durch Zulegieren von Zinn entstand die Bronze, die der nachfolgenden Bronzezeit ihren Namen gab.

In den frühen Hochkulturen Mesopotamiens wurden bereits erste Ingenieure an Palast- oder Tempelschulen ausgebildet in Lesen, Schreiben und der Berechnung verschiedener Bauten und Geräte. Gebaut wurden viele große Städte, Paläste und Tempel sowie monumentale Grabstätten wie die Pyramiden.

Die antiken Griechen machten große Fortschritte in der Mechanik, die für die Ingenieurwissenschaften große Bedeutung hatte und hat. Archimedes beschrieb die einfachen Maschinen: Die schiefe Ebene, die Schraube, den Hebel, den Flaschenzug und weitere. Ktesibios gilt als Begründer der Hydraulik und sein Schüler Philon von Byzanz schrieb Bücher über Katapulte, die bereits durch Experimente verbessert wurden. Heron entwickelte ein Gerät, das sich durch Dampfkraft bewegen konnte. Die Römer machten vor allem beim Straßen- und Brückenbau Fortschritte.

Im Mittelalter wurden viele Klöster, Burgen und Kathedralen gebaut. Auch die Militärtechnik verbesserte sich – neben den Burgen vor allem auf dem Gebiet der Katapulte und Tribocke. Die seit der Spätantike bekannten Wind- und Wassermühlen verbreiteten sich in ganz Europa und wurden zu einer wichtigen Energiequelle. Sie trieben oft Getreidemühlen an, aber auch Hammerwerke und andere Maschinen. Die Mühlenbauer waren Experten auf dem Gebiet der Mechanik und waren beim Entstehen des Maschinenbaus wichtig.

In der Renaissance entwarf Leonardo da Vinci eine Vielzahl von Maschinen, die ihrer Zeit teilweise weit voraus waren. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden die sogenannten Maschinenbücher, in denen Ingenieure sich in lateinischer Sprache an Fürsten wandten, aber oft auch in lebenden Sprachen an ihre Kollegen. Gebildete Ingenieure wandten sich auch den wiederentdeckten antiken Schriften zur Mechanik zu und nutzten ihre Erkenntnisse. Im 17. und 18. Jahrhundert wandten sich Gelehrte und Wissenschaftler mehr den praktischen Problemen zu. Viele Gebiete der Physik, insbesondere die Mechanik wurden nun mathematisch weiterentwickelt. Galileo Galilei beschäftigte sich beispielsweise mit den Fallgesetzen und fand eine mathematische Formulierung. Es kam immer öfter vor, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse in technische Neuerungen umgesetzt werden konnten.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden in Frankreich zahlreiche Schulen für Ingenieure gegründet, die sich unter anderem mit dem Straßen- und Brückenbau, dem Bergbau, dem militärischen Festungsbau, oder Artillerie beschäftigten. 1794 wurde die École polytechnique gegründet, in der die gemeinsamen mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen der verschiedenen Disziplinen unterrichtet wurden. Absolventen besuchten nach ihrem Abschluss eine der vorgenannten Spezialschulen. Für den Bedarf der Industrie wurde die École Centrale des Arts et Manufactures gegründet, die für höhere Positionen in Unternehmen ausbildete, und mehrere Ecole des Arts et Métiers, die für mittlere Positionen (Meister-Ebene) ausbildeten.

In England kam es Mitte des 18. Jahrhunderts zur Industriellen Revolution. Thomas Newcomen baute 1712 die erste funktionierende Dampfmaschine, die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts durch James Watt entscheidend verbessert wurde und sich ab etwa 1800 schnell ausbreitete. Mit dem neuen Puddelverfahren konnte man Stahl in großen Mengen herstellen, der für den Bau von Dampfmaschinen, Textilmaschinen, Lokomotiven und Schienen sowie Werkzeugmaschinen genutzt wurde.

Um den großen Vorsprung in der Industrialisierung gegenüber England aufzuholen, kam es in Deutschland im 19. Jahrhundert zu zahlreichen Gründungen sogenannter Polytechnischer Schulen, die sich an der französischen Ecole Polytechnique orientierten. Sie wurden im Laufe des Jahrhunderts zu Technischen Hochschulen aufgewertet und bekamen in der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert schließlich das Promotionsrecht und waren damit den älteren Universitäten gleichgestellt. Viele wurden später auch in Universitäten oder technische Universitäten umgewandelt.