Alter Orient

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Der Begriff Alter Orient bezeichnet den von der vorderasiatischen Archäologie und Altorientalistik erforschten geographischen und zeitlichen Raum sowie die in diesem Raum entstandenen Kulturen, besonders die Hochkulturen. Eine einheitliche Definition des Raumes und der Zeitspanne des Alten Orients existiert nicht. Seine Kerngebiete umfassen Mesopotamien und dessen Nachbarn, den Iran, Anatolien und die Levante.

Nach gegenwärtigem Forschungsstand vollzogen sich im Alten Orient mehrere Entwicklungsschritte der Menschheit früher als in jeder anderen Region der Welt. Hierzu zählen insbesondere die Neolithisierung, die Urbanisierung sowie die Entwicklung der Schrift, die den Übergang von der Prähistorie zur Geschichte markiert.

Im Alten Orient bildeten sich im Laufe der Jahrtausende mehrere Hochkulturen aus, von denen die Sumerer, Babylonier, Assyrer, Hethiter und Perser besondere Berühmtheit erlangten. Die letzte altorientalische Hochkultur, die der Sassaniden, ging mit der Ausdehnung des Islam unter, was eine neue kulturelle Phase in diesem Raum markiert.

Definition[Bearbeiten]

Alter Orient ist kein Begriff der physischen Geographie, sondern wird von einzelnen Fachdisziplinen und Wissenschaftlern jeweils für sich selbst sehr unterschiedlich definiert. So begreift die Vorderasiatische Archäologie, die sich für die materiellen Hinterlassenschaften dieser Kulturen interessiert, mit diesem Begriff vor allem die Räume, in welchen ebendiese Hinterlassenschaften zu finden sind, und grenzt ihn von den Räumen ab, die einer anderen materiellen Kultur angehören. Die Altorientalistik als philologische Disziplin legt ihren Fokus hingegen vor allem auf die schriftlichen Zeugnisse der Hochkulturen. Da die Verbreitungsgebiete dieser Kulturen im Laufe der Zeit stark fluktuierten, können nur leidlich klare Grenzen festgestellt werden. Die wesentlichen Unterschiede der Definitionen bestehen hinsichtlich ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension.

Räumliche Einordnung[Bearbeiten]

Der geographische Raum, mit dem sich die vorderasiatische Archäologie beschäftigt, umfasst konsensuell das Gebiet der heutigen Staaten Irak, Syrien, Türkei, Libanon, Jordanien, Iran, Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Jemen, Oman, Vereinigte Arabische Emirate und Katar. Viele vorderasiatische Archäologen zählen außerdem auch Afghanistan, Pakistan (westlich des Indus) und Zypern zu ihrem Forschungsgebiet. Seit dem Zerfall der Sowjetunion werden vermehrt auch Armenien, Turkmenistan und Aserbaidschan angeführt. Eine Sonderstellung nimmt Israel ein, für das sich die biblische Archäologie als eigenständiger Wissenschaftszweig entwickelt hat, der je nach Autor als eigenständige Disziplin neben der vorderasiatischen Archäologie[1] oder als Unterdisziplin derselben[2] betrachtet wird. Ägypten wird in der Regel nicht mehr zum Vorderen Orient gezählt, da sich mit der Ägyptologie eine völlig eigenständige Wissenschaft entwickelt hat.

Zeitliche Einordnung[Bearbeiten]

Archäologie[Bearbeiten]

Der zeitliche Rahmen, mit dem sich die vorderasiatische Archäologie befasst, setzt für die meisten Forscher mit der Jungsteinzeit vor etwa 11.000 Jahren ein. Einige Fachvertreter zählen auch die Altsteinzeit, die im Vorderen Orient vor ca. zwei Millionen Jahren beginnt, zu ihrem Forschungsbereich; in der Regel sieht sich hierfür jedoch die Disziplin der Ur- und Frühgeschichte zuständig. Während lange Zeit der Untergang des Achämenidenreiches 330 v. Chr. als Ende des Forschungsgebietes betrachtet wurde, werden heute nicht zuletzt aus pragmatischen Gründen zunehmend auch die Reiche der Parther und Sassaniden sowie die entsprechenden Phasen der hellenistischen, römischen und oströmischen Okkupation des betreffenden Gebietes untersucht. Als Endpunkt des Alten Orients gilt den Archäologen deshalb heute gemeinhin das Ende des letzten vorislamischen Reiches, des Sassanidenreiches, im Jahr 651 n. Chr.

Altorientalistik[Bearbeiten]

Da historische Wissenschaften im engeren Sinne an die Existenz auswertbarer Texte gebunden sind, beginnt der zu erforschende Zeitraum für die Altorientalistik mit dem Auftreten der frühesten Keilschriftzeugnisse des Alten Orients in Südmesopotamien um 3000 v. Chr. Das Ende des Alten Orients ist in der Altorientalistik hingegen stark umstritten. Für viele Fachvertreter endet mit dem Untergang des Achämenidenreiches 330 v. Chr. die Zeit des Alten Orients. Andere zählen auch noch die Zeit der Seleukiden und des frühen Arsakidenreiches zu ihrem Forschungsgebiet, da damals die Keilschrift im Rahmen der Durchsetzung der hellenistischen Kultur nur langsam verschwand. Im Unterschied zu den vorderasiatischen Archäologen sehen aber nur sehr wenige Altorientalisten auch das Sassanidenreich noch als Gegenstand ihres Faches an.