Indus-Kultur

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Die bronzezeitliche Indus-Kultur, auch Indus-Zivilisation oder Harappa-Kultur, war eine der frühesten städtischen Zivilisationen. Sie bestand etwa in den Jahren 2800–1800 v. Chr. entlang des Indus im Nordwesten des indischen Subkontinents. Die Indus-Kultur erstreckte sich über fast das gesamte heutige Pakistan sowie Teile Indiens und Afghanistans, insgesamt umfasste sie 1.250.000 km² und damit eine größere Landfläche als das antike Ägypten und Mesopotamien zusammen. Sie war neben diesen eine der drei frühesten Zivilisationen der Welt.

Die Bezeichnung Harappa-Kultur geht auf einen der Hauptausgrabungsplätze, Harappa am Ravi zurück. Eine weitere alternative Benennung dieser Kultur lautet Sindhu-Sarasvati-Zivilisation; hinter der Verwendung der Bezeichnung Sarasvati steht der von der großen Mehrheit der Wissenschaftler abgelehnte Versuch, sie mit den Trägern der vedischen Kultur gleichzusetzen. Möglicherweise ist sie auch mit dem sumerischen Meluha zu identifizieren.

Bis heute sind über 1050 Fundorte identifiziert, hauptsächlich entlang des Indus und des Ghaggar. Über 140 antike Städte und Siedlungen wurden gefunden. Die beiden größten urbanen Zentren der Harappa-Kultur waren wohl Harappa und Mohenjo-Daro, daneben gab es noch große Städte bei Dholavira, Ganweriwala, Lothal und Rakhigarhi. Zu ihrer Blütezeit zählte die Indus-Kultur vermutlich über fünf Millionen Menschen.

Diese frühe indische Kultur kannte bereits Architektur und eine regelmäßige Stadtplanung einschließlich gepflasterter Straßen mit Straßenablauf (Gullys). Sie entwickelte zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit den gebrannten Ziegel mit den perfekten, noch heute gebräuchlichen Proportionen 1:2:4, der als Einhandziegel in allen Richtungen beliebig addierbar ist.

Möglicherweise besaß sie auch eine Schrift; ob aber die sogenannte Indus-Schrift tatsächlich eine Schrift ist, wird in Fachkreisen bisher kontrovers diskutiert.

Entdeckung und Erforschung der Indus-Kultur[Bearbeiten]

Die Quellen zur Harappa-Kultur sind, anders als jene zu den anderen beiden Hochkulturen in Ägypten und Mesopotamien, sehr spärlich. Erst etwa zehn Prozent ihrer Siedlungen wurden ausgegraben. Weder wurde bislang ihre Schrift entschlüsselt, noch ihr Verschwinden ab etwa 1900 v. Chr. geklärt. Selbst Texte des Sanskrit aus dem 1. vorchristlichen Jahrtausend erwähnen diese frühe Kultur nicht direkt. Ebenfalls nicht sicher ist, welche Sprache die Menschen damals sprachen oder wie sie sich selbst nannten.

Obwohl die Ruinenstätte in Harappa schon länger bekannt war und erstmals 1844 von Charles Masson in seinem Buch Narrative of Various Journeys in Balochistan, Afghanistan and The Panjab als „eine aus Ziegeln errichtete, zerstörte Befestigung“ beschrieben wurde, ist ihre Bedeutung erst sehr viel später erkannt worden. Im Jahr 1857 verwendeten die Briten beim Bau der Punjab Railway von Multan nach Lahore zur Befestigung der Trasse gebrannte Ziegel, die sie auf dem nahe gelegenen Ruinenfeld in Harappa fanden. Die Fundlage in Harappa ist daher im Vergleich zu Mohenjo-Daro recht schlecht. Auch Mohenjo-Daro war schon längere Zeit bekannt, hier interessierte man sich jedoch eher für die Reste eines späteren buddhistischen Klosters aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., das auf den Ruinen errichtet worden war. Im Jahre 1912 fand J. Fleet im damaligen Britisch-Indien Siegel mit unbekannten Schriftzeichen, was in Europa das Interesse der wissenschaftlichen Öffentlichkeit weckte. Daraufhin wurden in den Jahren 1921/22 unter anderem in Harappa und Mohenjo-Daro unter der Leitung von John Marshall, dem damaligen Direktor des britischen Antikendienstes, Grabungen durchgeführt. Die Ähnlichkeit der beiden ausgegrabenen Städte machte schnell deutlich, dass hier eine bisher unbekannte Hochkultur entdeckt worden war. Bis 1931 wurden von der Stadt Mohenjo-Daro mehr als 10 Hektar freigelegt, danach jedoch fanden nur noch kleinere Grabungen statt, unter anderem im Jahr 1950 durch den Briten Mortimer Wheeler. 1935/36 wurde mit Chanhu Daro ein weiterer Fundort der Indus-Kultur ausgegraben. Seit der Teilung Britisch-Indiens im Jahr 1947 ist das Siedlungsgebiet der Harappa-Kultur zwischen Pakistan und Indien geteilt. In Pakistan übernahmen Amerikaner, Franzosen, Briten und Deutsche zusammen mit pakistanischen Archäologen die weitere Forschungsarbeit, während in Indien der indische Antikendienst die Arbeit weiterführte. Großen Einfluss auf die Indus-Forschung hatten und haben, neben den bereits erwähnten Archäologen, der Brite Aurel Stein, der Inder Nani Gopal Majumdar und der Deutsche Michael Jansen.

Entwicklung[Bearbeiten]

Um 8000 v. Chr. vollzog sich auf dem Gebiet des heutigen Pakistans der Übergang vom Jäger und Sammler hin zum Bauern und Viehzüchter und damit verbunden eine Sesshaftwerdung. Es entwickelten sich frühe Ackerbau-Kulturen, die auch in den Hügeln von Belutschistan im heutigen Pakistan auftauchten. Die am besten erforschte Stätte dieser Zeit ist Mehrgarh, die um 6500 v. Chr. entstand. Diese Bauern domestizierten Weizen und Rinder und benutzten ab 5500 v. Chr. auch Töpferwaren. Ab etwa 4000 v. Chr. wurden zudem Erbsen, Sesam, Datteln und Baumwolle angebaut, und auch der Wasserbüffel, bis heute essentiell für die Landwirtschaft in Süd-Asien, wurde domestiziert. Die Besiedlung des Industals geschah wohl von den Rändern zum Zentrum hin. Ab dem vierten vorchristlichen Jahrtausend ist die Amri-Kultur im Industal bezeugt. Sie geht an vielen Orten wie etwa Amri direkt der Indus-Kultur voraus.

Um 2600 v. Chr. wandelten sich die kleinen Dörfer zu Städten mit mehreren tausend Einwohnern, die nicht mehr primär in der Landwirtschaft tätig waren. Es entstand eine Kultur, die im Umkreis von 1000 Kilometern einheitlich konstruierte Städte hervorbrachte. Das plötzliche Auftreten scheint die Folge einer geplanten und bewussten Anstrengung – eventuell unter dem Einfluss einer Trockenphase – gewesen zu sein. So wurden einige Städte komplett umgebaut, um einem wohldurchdachten Plan zu entsprechen, oder auch von Grund auf neu angelegt, was sich in Mohenjo-Daro erkennen lässt, wo keinerlei Spuren vorheriger Siedlungen gefunden wurden. Der Aufbau vieler der größeren Städte im Industal ist frappant ähnlich, so dass die Harappa-Zivilisation wohl die erste war, die Städteplanung entwickelte. Frühere Gelehrte konnten dieses plötzliche Auftreten nur durch externe Faktoren wie Eroberung oder Zuwanderung erklären. Neuere Erkenntnisse beweisen aber, dass die Harappa-Kultur tatsächlich aus den Ackerbau-Kulturen in diesem Gebiet hervorging.