Minderheitenschutz

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Minderheitenschutz ist ein Begriff aus Verfassungs- und Völkerrecht, der sich auf Freiheit und Gleichheit von Minderheiten und ihren Schutz vor Diskriminierung bezieht. Die spezifischen Interessen von ethnischen Minderheiten, Behinderten oder Homosexuellen werden international durch die Menschenrechte, insbesondere durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, und auf staatlicher Ebene durch die in der jeweiligen Verfassung verankerten Individualrechte geschützt.

Minderheitenschutz des Völkerbunds[Bearbeiten]

Die erste internationale Vereinbarung zum Schutze von Minderheiten stammt aus dem Wiener Kongress von 1815. Nach der Teilung Polens wurde versucht, den polnischen Bevölkerungen im preußischen, österreichischen und russischen Staat bestimmte Rechte zu garantieren. Die Dezemberverfassung Österreich-Ungarns von 1867 kodifizierte in ihrem Artikel 19 „Gleichberechtigung aller Volksstämme des Staates“ die allgemeinen Rechte der Staatsbürger der Monarchie; jedem „Volksstamm“ wurde darin ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität zuerkannt. Die Besonderheit dieser Verfassungsbestimmung war, dass dieses Recht nicht den Individuen zukam, sondern die Volksstämme zu Rechtsträgern bestimmt wurden. Spätere internationale Abmachungen sprechen nur noch von „religiösen“ Minderheiten und nur noch von „bürgerlichen“ Rechten, aber nicht von „politischen“ Rechten.

Als Nebenprodukt der Gebietsveränderungen durch den Ersten Weltkrieg wurden in den Friedensverträgen von Paris auch die Rechte von Minderheiten festgehalten. Diese Gebietsveränderungen, die den Osten und Süden Europas in neue Staaten aufteilten, sollten allen Volksgruppen der europäischen Länder das nationale Selbstbestimmungsrecht ermöglichen. Die Minderheiten waren nun der „unglückselig verbleibende Rest, […] denen man aber einen eigenen Nationalstaat oder eine Vereinigung mit dem Gebiet, in dem sie eine Mehrheit und ein Staatsvolk waren, […] nicht zugestehen konnte.“ Man bestand bei der Formulierung der Minderheitenverträge darauf, dass es keine „nationalen“ Minderheiten gäbe, sondern nur „rassische, religiöse und sprachliche Minderheiten“, damit ihnen kein nationales Selbstbestimmungsrecht zukäme. Zuvor wurden Minderheiten als Volksteile verstanden, die von der Mehrheit ihres eigenen Volkes getrennt auf fremdem Staatsgebiet lebten, aber selbstverständlich vom Staat ihrer Mehrheit nach Möglichkeit geschützt wurden. Nun wurde der Begriff der Minderheiten uminterpretiert: Minderheiten sollten sich jetzt als Minorität innerhalb eines Majoritätsvolkes verstehen. Sie wurden von keinem Staat mehr offiziell repräsentiert, sondern nur unter internationalen Schutz gestellt.

Der polnische Minderheitenvertrag, auch "der kleine Vertrag von Versailles" genannt, der am 28. Juni 1919 zwischen der Entente und Polen unterzeichnet wurde, gilt als der erste Minderheitenvertrag mit konkret ausgearbeiteten Schutzrechtbestimmungen. Der Vertrag wird als Vorlage für die weiteren Minderheitenverträge betrachtet, die in der Folgezeit abgeschlossen wurden. In den meisten Fällen wurden die Abkommen zum Minderheitenschutz lediglich als einzelne Bestimmungen in die jeweiligen Hauptverträge der Pariser Vorortverträge eingearbeitet.

In Folge des polnischen Minderheitenvertrages wurden unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg sowie in der Zwischenkriegszeit eine Reihe von bilateralen Verträgen geschlossen:

Etwa 25 bis 30 Millionen Menschen im Nachkriegseuropa lebten unter diesen Minderheitenstatuten. In ihnen ging es meist um den Gebrauch der Muttersprache im öffentlichen Leben und um die Ausübung politischer und kultureller Menschenrechte. Pflichten der Minderheiten gegenüber dem Staat, in dem sie nun lebten, enthielten sie nicht.

Den Friedensverträgen folgten sehr scharfe und erbitterte Konflikte, die in allen betroffenen Ländern nahe an Bürgerkriege führten. Wegen der damals herrschenden nationalistischen Gesinnungen waren die meisten der betroffenen Staaten nicht bereit, die Verträge einzuhalten. Dem UNO-Vorläufer Völkerbund, der mit der Überwachung beauftragt war, fehlten die nötigen Kompetenzen und die Bereitschaft, den Vollzug durchzusetzen. Direkte Interventionen kamen nicht in Frage und die Gesetze von Nationalstaaten abändern konnte der Völkerbund nicht. Im Völkerbund betonten Staatsmänner, dass man von keinem Land erwarten könne, Gruppen gesetzlich zu schützen, die für immer eine Sonderstellung behalten wollten und nicht assimilierbar seien. Europas Minderheiten organisierten sich schließlich im Europäischen Nationalitätenkongress, der die Aufgabe übernehmen sollte, die Interessen aller Minderheiten unabhängig von ihrer Nationalität gegenüber dem Völkerbund zu vertreten. Das gelang nicht, weil sich die nationalen Interessen durchsetzten. Die Minderheiten verstanden sich als zugehörig zu den Staaten, in welchen sie als Volk die Mehrheit bildeten. So stimmten die deutschen Minderheiten in Rumänien und der Tschechoslowakei mit den deutschen Minderheiten in Polen und Ungarn, und so verhielten sich alle Gruppen. Das neue Element der Minderheitenschutzverträge, nämlich die Garantie von Rechten durch eine internationale Körperschaft, scheiterte.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden dann in dessen Herrschaftsbereich alle Minderheitenrechte vollkommen entwertet und eine rassistische Umvolkungs- und Germanisierungspolitik betrieben. So sollten beispielsweise um deutschen Lebensraum in Slowenien zu schaffen, sogenannte „rassisch minderwertige“ Menschen gleich am Ort ermordet oder ins KZ deportiert, „nicht Eindeutschungsfähige“ nach Serbien und Kroatien abgesiedelt und Slowenen in die nach dem Sieg entvölkerten Gebiete der Sowjetunion umgesiedelt werden.